Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall
viereinhalb Tagen wasche ich mir meine Hände nicht mehr.
Heute trug ich zum Duschen Gummihandschuhe, die mit Gummibändern an den Handgelenken zusammengebunden sind. Ich trage Handschuhe beim Essen, wenn ich Geld, Telefone, Fahrkarten anfasse, im Aufzug auf einen Knopf drücke, am Computer arbeite, zu Hause oder im Café.
Ich schütze meine Hände, da zwischen dem Fleisch meiner Finger und meinen Fingernägeln ein lautloser Kampf tobt zwischen Partikeln von Iulana Romiszowska und denen des Planeten Erde. Die Partikel des Planeten Erde versuchen, die von Iulana Romiszowska abzustoßen. Der Geruch ihres Höschens und ihrer zwei Vertiefungen haftet genau zweieinhalb Tage an meinen Fingern.
Dann verschwindet er. Und ich muss mich wieder mit ihr treffen.
„Was hast du an deinen Händen?“
Da ist sie, in derselben ordinären Dunkin’-Donuts-Imitation nahe der Shinjuku-Station, in der wir uns damals getroffen hatten, als sie noch die Frau war, die Misako nachfolgen würde, und wo wir zum ersten Mal gemeinsam den brasilianischen Musiker João Gilberto gehört hatten mit seiner nächtlichen Stimme. Heute möchte Iulana, dass ich mit ihr nach Akihabara gehe, um einen Fotoapparat zu kaufen.
„Wozu brauchst du denn eine Kamera?“
„Wozu wohl? Um ein Loch zu graben? Zum Fotografieren natürlich.“
„Was denn fotografieren?“
„Ich will von der Brücke in Marunouchi herunter fotografieren, über die wir gestern gegangen sind.“
„Die Tokiwa-bashi-Brücke. Was gibt es dort Besonderes?“
„Ich mag, wie sich die Farben im Wasser unter der Brücke spiegeln.“
„Und du kaufst einen Fotoapparat, nur weil dir eine Farbe gefällt?“
„Hilfst du mir nun oder nicht?“
Wir nehmen die Metro. Unter den verstohlenen Blicken der Menge (sie glauben, Iulana sei eine dieser russischen Fotomodelle, die in Japan schließlich zu Prostituierten werden, und ich ein Salaryman mit exotischen Vorlieben), machen wir uns auf den Weg nach Akihabara. Iulana würde lieber gern zu Fuß gehen. Ich stütze das Gewicht meines Körpers auf meinen Regenschirm. Ein Jugendlicher uns gegenüber tippt konzentriert etwas in sein Telefon. Neben uns spielt ein altes Paar gemeinsam Sudoku. Über die Flüssigkristallbildschirme flimmert Reklame, die nächsten Haltestellen, die Wettervorhersage. Bis wir dort sind, müsste es aufgehört haben zu regnen.
Der Zug hält.
Die Landschaft, die wir durch das Fenster sehen, hört auf, ein Gewirr waagrechter Striche zu sein, und gefriert zu beleuchteten Umrissen hinter dem Regen. Neben der Brücke, über die die Yamanote-Linie der Metro führt, steht eine Mauer aus Gebäuden und Einkaufspassagen. Über allem wirbt eine große Reklame aus Neonröhren für Suppe. Die einzigen Fenster, deren Gardinen nicht zugezogen, deren Scheiben nicht verdunkelt sind, befinden sich im fünften Stock des geschwungenen Gebäudes rechts. Dort probt in der Mitte des Raums eine Gruppe kleiner Tänzerinnen eine Choreografie, während andere ihre Beine an einer Metallstange dehnen. Die Bewegung der Mädchen ist so rein, dass ich Iulana Romiszowskas Schulter berühren will, um den Anblick der Tänzerinnen mit ihr zu teilen.
Der Weg meiner Hand zu ihrem Körper wird unterbrochen, als sich plötzlich mit einem Ruck die Komposition wieder bewegt. Mit einem Mal hören die Tänzerinnen auf zu existieren.
Iulana Romiszowska steigt auf der Rolltreppe des „Bic Camera“ eine Stufe hinauf und steht nun vor mir. Sie trägt knappe, modische Shorts, wie sie japanische Frauen ganz ungeniert tragen und die an ihr vollkommen obszön wirken. Da Iulana nicht ein Zehntel von dem begreift, was um sie herum vor sich geht, versteht sie auch nicht, welche Blicke sie damit auslöst, die unfreundlichen Kommentare der Alten, das Gekicher der Gleichaltrigen.
Ich wünschte, diese Leute würde alle sterben, begraben unter den Trümmern einer Explosion in der Metro.
Der fünfte Stock eines Kaufhauses ist das übliche Pandämonium an elektronischen Tönen, Jingles und endlosen Gängen, einer für jede Gerätemarke. Alles ist etikettiert: die Marke, das Modell, der Preis. Es gibt keine Stunde am Tag oder in der Nacht, zu der dieser Ort nicht von Menschen wimmelt, die ebenfalls Etiketten, mehr oder weniger sichtbar an ihrer Kleidung, ihren Schuhen, ihren Taschen tragen.
Während ich mich mit einer Kamera beschäftige, die über einen Auslöser mit automatischer Bewegungserkennung verfügt, löst Iulana ihre Hüfte von meiner linken Hand und
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