Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall
absurd, denke ich, einen halb nackten, halb toten Mann um den Hals hängen zu haben, aber ich sage nichts.
Sie legt ihren Arm über meine Kehle und kramt aus ihrer Handtasche einen Revolver heraus. Zielt auf meine Stirn und dann zwischen meine Hoden:
„Zu wem gehört denn dieser harte Schwanz, Baby Shun?“ Und dann zieht sie ihr Höschen zur Seite. In einem der wenigen Momente, in denen Iulana mir die Initiative überlässt, werde ich sie von hinten besteigen. Sie wird weiter ihre angewinkelten Knie zusammenpressen, ganz nahe an ihrem reglosen Kopf. Sie scheint nichts zu spüren, sosehr ich mich auch anstrenge. Früher oder später geschieht etwas, denn sie beginnt zu zittern und etwas Blut sickert seitlich aus ihrem Mund.
Vielleicht träume ich doch noch.
Denn nun gehe ich durch einen dunklen Flur, und durch noch einen, und es ist kein Blut mehr auf den Laken: Iulana Romiszowska ist nun eine Tür. Eine grüne Tür mit einer geschnitzten Schnecke darüber, einem kleinen Fenster mit einem Eisengitter, sieben senkrechten Holzstreifen und einem verrosteten Schloss in der Mitte.
Ich bücke mich, stütze mich mit den Handflächen auf meine Knie und schaue durch das Schlüsselloch der Tür, die Iulana ist. Ich sehe eine rechteckige Halle mit weißen Wänden, so hoch, dass sich der Blick darin verliert. Vor den Wänden sind Dutzende Arbeiter damit beschäftigt, etwas zu notieren und das Inventar eines Museums zu katalogisieren, in dem nur weiße Bilder zu sehen sind. Sie schauen zur Wand wie Schulkinder, die in der Ecke stehen müssen.
Als ich aufwache, tatsächlich oder auch nicht, steht sie vor mir, die Hände in die Hüften gestemmt, die Füße nach außen gebogen, den Hals nach links geneigt, eine blonde Strähne auf der Stirn, und trägt eines meiner Hemden, das nicht zugeknöpft ist bis auf den einen Knopf, der ihre nachlässig rasierte Scham bedeckt.
„Du hast verschlafen, Shun!“
Sie riecht anders als alle Frauen, mit denen ich bisher zusammen war.
„Ich habe Hunger, Shun!“
Zurück aus dem Bad schalte ich die Stereoanlage ein und lege Musik auf.
„Erinnerst du dich, das haben wir gehört, als wir zum ersten Mal zusammen Kaffee getrunken haben.“
„Ich glaube schon. Die Musik passt gut zu einem Morgen.“
„Das stimmt nicht. Sie passt zur Dämmerung.“
Das U-Boot registriert ein paar Sekunden Stille. Iulana Romiszowska fixiert wie immer den einen Punkt zwischen meinen Augen.
„Begreifst du nicht? Die Stimme des brasilianischen Musikers João Gilberto ist eine nächtliche Stimme.“
„Wie das?“
„Wenn es sehr spät und die Stadt ausgelöscht ist und die Leute in ihren Häusern sind, fällt dir dann nicht auf, dass sie viel leiser sprechen?“
„Doch.“
„Das ist die Stimme, die man nur benutzt, wenn man sich nahe ist.“
„Shun?“
„Was ist?“
„Vielleicht reden wir eines Tages auch miteinander mit unserer nächtlichen Stimme.“
Ich mache Kaffee, Toast und brate zwei Eier für sie. Ich esse nichts davon, sondern Reis und ein rohes Ei. Iulana schaut angeekelt und fährt mir mitleidig mit ihren groben Fingern durchs Haar. Der Dampf des Kaffees und vom Reis gesellt sich zur stehenden Luft und dem muffigen Geruch und lässt den Raum trübe erscheinen. Von gegenüberliegenden Seiten des kleinen Tisches schauen wir uns schweigend an, während João Gilberto mit seiner nächtlichen Stimme singt.
Im Periskop sehen wir nun unser erstes gemeinsames Frühstück.
Damals konnte ich es noch nicht formulieren, doch mit Iulana Romiszowska zu schlafen genügte, um zu begreifen, dass ich mich nie wieder an die Einsamkeit (zu zweit oder alleine) würde gewöhnen können, die vorher war. Und mit diesem Gedanken kommt der Verdacht, dass die gesamte übrige Welt, auch mein Vater mit seinem U-Boot, verschwunden sein muss, als wir zusammen waren – was sich grafisch durch einen dunklen Schimmer rund um die Wohnung darstellen ließe.
Ich gehe zum Balkon, ziehe die Vorhänge auf und bringe Licht in die Szene.
Durch das Fenster sehe ich die grauen Umrisse von Daikanyama, wo ich in einem Apartment lebe, das Herr Okuda in den 1960er Jahren gekauft hat, bevor dieses Viertel aufgewertet wurde zu dem, was es heute ist: ein Konglomerat von Galerien und Cafés, in denen Trendsetter über alles in der Welt reden, das mich nicht interessiert.
Es ist alles immer noch da.
Iulana Romiszowska räumt den Tisch ab, dreht das heiße Wasser auf und beginnt abzuwaschen. Sie ist nun keine Tür, keine Sphinx,
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