Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall
am selben Ort heraus. Die Menschen auf diesen Straßen widern mich an: Sie sind verdreckt, hässlich, unfähig, gierig, grob und kleinkariert. Um jeden Kontakt mit meinen Artgenossen zu vermeiden, trage ich Handschuhe und eine Pollenmaske, mein Taucheranzug also, mit dem ich durch das trübe, nun vom U-Boot vergessene Wasser dahingleite.
Die Ausländerin erscheint mir so fahl wie das Licht der Gebäude und die Farbe der anderen Menschen. Die Kleider, die sie trägt, erkenne ich nicht mehr, sie scheinen neu zu sein, und doch erkenne ich die eckige Form ihrer Brüste noch gut, den hellen Hof ihrer Brustwarzen, das Weiß ihres Nackens am Haaransatz, ein Anflug von Staunen, ein Lächeln, ihre Art, im Schlaf ihren Körper überallhin zu verteilen, den Klang ihrer nächtlichen Stimme, die meinen Namen ruft. Und doch weiß ich, dass ich etwas Fundamentales und nicht in Worte zu Fassendes verloren habe bei dieser Frau. Etwas, das sie zu einer vollkommen Unbekannten macht, die nun mit mir an diesem Tisch sitzt.
Sie bestellt ein Croissant und einen doppelten Espresso. Verschlingt alles sofort wie ein hungriges Tier. Sonst ist nur noch eine chinesische Familie hier und wir zwei. Ich habe das seltsame Gefühl, mich von außen zu sehen, auf einem Foto, wie ich dort sitze mit der Ausländerin. Außerhalb des Bildes ist es elf Uhr nachts, es ist Sonntag und das Café ist halb leer. Die Bedienungen sind andere. Die alten, die uns kannten und still mit mir litten, an den langen Nachmittagen, an denen ich wartete, haben vermutlich etwas Besseres gefunden oder mit etwas Glück Tokio verlassen – die Welt ist ihren Weg weitergegangen vor unseren Augen. Auch dies haben wir mit den Toten gemeinsam.
Bevor ich der Versuchung nachgebe zu fragen, was die polnische Rumänin in den vergangenen Monaten getan hat und vor allem mit wem, legt sie die Briefe vor mich auf den Tisch. Ich muss sie nicht lesen, um zu wissen, dass sie von meinem Vater stammen. Ich bin auch keineswegs verwundert über den Leichtsinn des Alten, seine Korrespondenz auf Papier zu verfassen und direkt an die Tänzerin Kazumi zu adressieren, die er dann mit einer inszenierten Vergewaltigung aus der Welt schaffen würde.
„Shun, was soll ich damit machen? Wenn du mir nicht hilfst, gebe ich das noch heute den Männern im Club.“
30
Zur vereinbarten Zeit steigen Iulana und ich unter den schrägen Blicken der Menge – sie glauben, Iulana sei eines dieser russischen Models, die in Japan als Prostituierte enden und ich ein Salaryman mit exotischem Geschmack – in die Metro. Wir besteigen den sechsten Waggon und suchen den Platz, der mit einer kleinen Kreppschleife am Waggonhimmel markiert ist. Vor uns tippt ein Jugendlicher konzentriert etwas in sein Mobiltelefon. Neben uns spielt ein altes Ehepaar gemeinsam Sudoku. Die Monitore aus Flüssigkristall zeigen Produkte, die nächsten Stationen und das Wetter an.
Der Zug hält.
Die Landschaft, die wir durch das Fenster sehen, hört auf, ein Gewirr waagrechter Striche zu sein, und gefriert zu beleuchteten Umrissen hinter dem Regen. Neben der Brücke, über die die Yamanote-Linie der Metro führt, steht eine Mauer aus Gebäuden und Einkaufspassagen. Über allem wirbt eine große Reklame aus Neonröhren für Suppe. Die einzigen Fenster, deren Gardinen nicht zugezogen, deren Scheiben nicht verdunkelt sind, befinden sich im fünften Stock des geschwungenen Gebäudes rechts. Dort probt in der Mitte des Raums eine Gruppe kleiner Tänzerinnen eine Choreografie, während andere ihre Beine an einer Metallstange dehnen. Die Bewegung der Mädchen ist so rein, dass ich dich an der Schulter berühren will, um den Anblick der Tänzerinnen mit dir zu teilen.
Doch dies wird nicht geschehen, denn das Werk von Herrn Suguro Shibata, Professor der Vereinigung des Harmonischen Fugu von Tsukiji, und seiner Schüler wird ohne Zweifel gelingen. Und der Weg meiner Hand zu deinem Körper wird unterbrochen von der Explosion.
Der Knall beginnt mit einem schrillen Ton vorne im Wagen, der uns durchdringt wie ein geschliffenes Hackmesser. Je weiter der Aufprall sich ausbreitet über die Sitze und die Menschen, desto tiefer wird das Ächzen des sich verbiegenden Metalls. Die Veränderung ist abrupt: Wo vorher Kontinuität war und Ordnung, ist nun Chaos. Der Erste, der von der Druckwelle erfasst wird, ist ein Jugendlicher, der etwas in sein Telefon tippt. Neben ihm, nahe der Tür zum anderen Waggon, bäumt sich eine graue Masse auf, die ihre Kräfte ballt
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