Das einzige Kind
nicht.
»Cecilie, es tut mir so leid. Ich wollte nicht so zickig sein.
Natürlich können wir darüber reden.«
Die schmächtige Gestalt zog sich noch mehr in sich zusammen, und als Hanne versuchte, ihren Rücken zu streicheln, fing sie an zu zittern, wie vor Abscheu. Hanne ließ ihre Hand sinken und starrte sie an, als ob irgend etwas Ekelhaftes an ihr klebte.
»Aber Cecilie«, flüsterte sie erschrocken, »was ist denn los mit dir?«
Die Frau auf dem Sofa brach in Tränen aus, versuchte zu sprechen. Zunächst unverständlich, doch nach und nach beruhigte sie sich. Endlich nahm sie die Hände vom Gesicht und sah Hanne an. »Ich bin so entsetzlich erschöpft, Hanne. Ich bin so fertig, daß … ich habe oft gedacht …«
Ihr heftiges Schluchzen wirkte fast krank, sie schnappte nach Luft, und ihr Gesicht hatte sich bläulich verfärbt. Hanne wagte nicht, sich zu bewegen.
»Weil«, sagte Cecilie, als sie wieder zu Atem gekommen war,
»weil wir anderen nichts Schlimmeres antun können, als sie zu verleugnen. Du verleugnest mich jetzt schon seit fast siebzehn Jahren, bist du dir darüber eigentlich im klaren? « .
102
Hanne kämpfte verbissen gegen alle einsetzenden
Rechtfertigungsmechanismen an. Sie biß die Zähne zusammen und fuhr sich durchs Gesicht. »Aber Cecilie, davon ist jetzt doch nicht die Rede«, sagte sie zögernd, voller Angst, dieses schreckliche Schluchzen könnte wieder einsetzen.
»Im Grunde doch«, sagte Cecilie. »Das hängt doch alles zusammen. Du machst zu, und so sicher wie das Amen in der Kirche blockst du ab, wenn ich irgendein grundlegendes Problem zur Sprache bringe. Peng, peng, peng macht es bei dir, und schon bist du wie eine uneinnehmbare Festung. Kapierst du nicht, wie gefährlich das ist?«
Hanne spürte ihre Angst aufsteigen wie immer, wenn Cecilie ein seltenes Mal ihre Beziehung in Frage stellte. Ihre Zähne klapperten, und sie versuchte verzweifelt, ihre Reaktionen einigermaßen unter Kontrolle zu bringen.
»Wenn wir weiter zusammenleben wollen, mußt du dich am Riemen reißen, Hanne.«
Das war keine Drohung. Es war die Wahrheit. Das wußten sie beide. Und Hanne wußte es am besten.
»Ich werde mich zusammenreißen, Cecilie«, versprach sie.
»Das schwöre ich dir. Nicht erst ab morgen oder nächste Woche. Sondern von diesem Moment an. Wir können
haufenweise Kinder kriegen. Wir können die ganze
Polizeibelegschaft hierher einladen. Ich kann eine Annonce aufgeben … Wir können unsere Partnerschaft registrieren lassen!«
In wilder Begeisterung sprang sie auf. »Wir heiraten! Ich lade meine ganze Familie ein, und alle Kollegen und …«
Cecilie starrte sie an. Sie mußte lachen. Es war eine seltsame Mischung aus Lachen und Weinen, und dabei schüttelte sie resigniert den Kopf.
»Das will ich doch alles überhaupt nicht. Das ist Unsinn, Hanne. Das brauche ich nicht alles auf einmal. Ich brauche nur 103
das Gefühl, daß wir uns vorwärts bewegen. Es war toll, daß du endlich Billy T. in unser Leben hereingelassen hast. Und war das denn wirklich so entsetzlich, was meinst du?«
Ohne auf eine Antwort zu warten, griff sie nach einem Sofakissen, drückte es an sich und fuhr fort: »Billy T. reicht erst einmal. Aber nur fürs erste. Ich will endlich deine Familie kennenlernen. Auf jeden Fall deine Geschwister. Und was ein Kind betrifft … jetzt setz dich doch bitte.«
Sie legte das Kissen wieder weg und klopfte vorsichtig auf den Platz neben sich.
Hanne stand vor lauter Angst noch immer da wie eine Salzsäule. Sie riß sich aus ihrer Erstarrung und setzte sich auf die Sofakante. Ihre Oberschenkel zuckten nervös und sie ballte die Fäuste so fest, daß ihre Fingernägel sich in die Handflächen bohrten.
»Sei doch nicht so verkrampft, Hanne.«
Cecilie hatte die Kontrolle über sich und die Situation zurückgewonnen. Sie zog die Freundin an sich und spürte deren heftiges Zittern. Lange saßen sie schweigend da, lange, bis beide wieder einigermaßen frei und ruhig atmen konnten.
»Findest du es seltsam, daß ich wissen möchte, warum du kein Kind willst?« flüsterte Cecilie Hanne ins Ohr.
»Nein. Aber es ist so schwer, darüber zu reden. Ich weiß, daß du dir ein Kind wünscht. Und ich habe das Gefühl, dir etwas zu stehlen, wenn ich mich weigere. Und ich habe das Gefühl, dir etwas zu stehlen, weil wir zusammen sind. Ich komme mir so klein vor. So … gemein.«
Cecilie lächelte. Aber sie schwieg.
»Es ist nur so, daß ich …«, fing Hanne an und richtete
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