Das einzige Kind
sich.
Jetzt war es zu spät zur Umkehr. Er legte den dritten Scheck vor.
»Der Computer ist leider zusammengebrochen, ich muß anrufen«, sagte der junge Mann und lächelte noch herzlicher, dann musterte er den Scheck.
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»Ich kann doch später noch mal wiederkommen«, stotterte er und streckte die Hand nach dem Scheck aus.
»Ach was«, protestierte der Kassierer dienstbeflissen. »Das dauert doch nur eine Minute.«
Und so war es. Eine Minute später hatte er mit weiteren zehn Tausendern und außerdem einem stechenden Schmerz in der Brust die Bank verlassen können.
Und nun trank er. Die dreizehnte Bierflasche war leer, und er ließ die Flaschen in einem neuen Muster aufmarschieren, einem Winkel oder einem Gänseflug in warme Länder. Oder einer riesengroßen Pfeilspitze. Die allererste Flasche zeigte direkt auf ihn.
»Peng«, sagte er leise. »Du bist tot.«
Er öffnete die vierzehnte. Warum konnte er nicht endlich eine Flasche umwerfen?
Agnes hatte es entdeckt. Genauer gesagt, sie hatte gefragt, ob er zufällig ihr Scheckbuch gesehen hätte. Sie hatte einfach so gefragt, ohne irgendeinen Unterton. Was nur zeigte, daß sie ihn verdächtigte. Natürlich hatte er alles abgestritten. Natürlich hatte sie alles durchschaut. Sie sagte, sie habe die Bank gebeten, Nachforschungen über eventuell ausgestellte Schecks anzustellen. Am nächsten Tag würde sie die Auskunft erhalten.
O verdammt. Er war so sicher gewesen, daß niemand davon wußte. Er hatte ihr nie geschrieben, ganz einfach weil er nie etwas anderes schrieb als seinen Namen unter einen Kaufvertrag.
Wie lange es wohl noch dauerte, bis die Polizei die Schecks aufgespürt hatte?
Er sprang auf und warf dabei zwei Flaschen um. Eine fiel auf den Boden, zerbrach aber nicht.
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Jetzt konnte er versuchen, ein wenig zu schlafen. Er schwankte ins Schlafzimmer und fiel angezogen aufs Bett. Erst nach langer Zeit nickte er schließlich ein.
Das Scheckbuch lag noch immer zwischen zwölf stehenden und einer umgekippten Flasche auf dem Tisch.
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9
Es war der erste wirklich schöne Tag seit langer Zeit. Die Temperatur war zwar immer noch nicht weit über den Nullpunkt geklettert, aber nun hing das vorsichtige Versprechen in der Luft, daß der Frühling nicht mehr so schrecklich weit weg war.
Die großen Rasenflächen vor dem Tøyenbad waren schneefrei, und hier und da versuchte ein Grasbüschel, sich aufzurichten.
Der Huflattich dagegen war noch immer gescheit genug, den Kopf einzuziehen. Der Himmel war strahlend blau, und obwohl die Sonne gerade eben mal über den Horizont lugte, bereute Hanne Wilhelmsen, keine Sonnenbrille aufgesetzt zu haben.
Auf der kleinen Anhöhe zwischen einer großen kräftigen Statue aus hellem Stein und der Finnmarksgate, im Schutz von einigen Büschen und so hoch über der Fahrbahn, daß die Autofahrer nicht so recht darauf achteten, was dort oben vor sich ging, standen einige Kollegen vom Verkehr und richteten eine Radarfalle ein. Wie gemein, dachte Hanne und lächelte. Die Straße hatte in jede Richtung zwei Fahrspuren, getrennt durch einen starken Zaun, es war fast eine kleine Autobahn. Jeder einigermaßen routinierte Fahrer ging automatisch davon aus, daß die Höchstgeschwindigkeit bei mindestens sechzig lag.
Deshalb fuhren alle siebzig. Nur war ihnen nicht aufgefallen, daß es keine Schilder und Tempobegrenzungen gab, deshalb galten die üblichen fünfzig, wie in jedem dicht bebauten Gebiet.
Die Finnmarksgate bildete eine der sichersten
Einkommensquellen des Staates.
Sie nahm sich die Zeit zuzusehen, wie die ersten beiden Sünder aus dem Verkehr gezogen wurden. Dann schüttelte sie den Kopf und ging weiter. Um zwanzig nach sieben überquerte sie den Åkebergsvei, eine halbe Minute später stand sie im Polizeigebäude im Fahrstuhl. Dort traf sie ihren
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Abteilungsleiter. Er war groß, kompakt und muskulös, vor allem jedoch extrem maskulin. Seine Kleider saßen so unmodern eng, daß er ein wenig wie ein Bauerntrottel wirkte, aber die Intensität des breiten Gesichts unter der Halbglatze hatte doch etwas Anziehendes, das von seinem ungewöhnlich beherrschten und angenehmen Wesen noch verstärkt wurde. Normalerweise. Jetzt würdigte er sie keines Blickes.
»Morgenstund hat Gold im Mund«, murmelte er seinem Spiegelbild zu.
»Ja. Viel zu tun«, erwiderte Hauptkommissarin Hanne Wilhelmsen und strich sich im selben Spiegel die Haare glatt.
»Komm zu mir ins Büro«, befahl der Chef und schaute auf die Uhr.
Der
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