Das einzige Kind
Muster, das er alle fünf Minuten änderte. Jetzt bildeten sie einen Kreis aus zwölf Flaschen. Daß er sie in andere Formationen bringen konnte, ohne eine umzuwerfen, machte ihm klar, daß ihm die nötige Bettschwere noch um einiges fehlte.
Mitten in diesem Kreis aus Flaschen lag ein Scheckbuch.
Agnes Vestaviks Scheckbuch. Darin fehlten nur vier Schecks.
Einer war schon eingelöst gewesen, als er das Buch gestohlen hatte; es war unbegreiflich einfach gewesen, es aus ihrer Tasche zu nehmen, als sie einmal auf der Toilette war. Er hatte überhaupt nicht darüber nachgedacht, seine Hände hatten ganz selbständig gehandelt. Das Scheckbuch steckte in ihrer Tasche, das wußte er, weil sie kurz zuvor das Essen bezahlt hatte. Ohne zu zögern, hatte er das Lederetui aus ihrer Tasche genommen und in seiner geräumigen Manteltasche verstaut. Als er bereute 185
und es zurücklegen wollte, kam sie gerade lächelnd von der Toilette und fragte, ob sie gehen sollten.
Mit den drei anderen Schecks hatte er drei gleich hohe Summen abgehoben, in drei verschiedenen Banken, in drei verschiedenen Stadtteilen. Erst in Lillestrøm. Das war einfach gewesen, obwohl ihm der blöde falsche Schnurrbart fast abgefallen wäre, weil er schwitzte wie ein Schwein. Er hatte sich mit einem Führerschein ausgewiesen, den ein Kunde nach einer Probefahrt in einem Auto vergessen hatte. Alter und Gesichtsform stimmten so ungefähr, und die Kassiererin hatte nur kurz aufgeblickt, dann hatte sie die zehn Tausender hingeblättert und den nächsten Kunden herangewinkt. Er hatte fast nicht gewagt, das Geld an sich zu nehmen, aber die Frau hatte ihn irritiert angesehen und ihm die Geldscheine mit einer hastigen Handbewegung hingeschoben. Er hatte versucht, sein Zittern zu unterdrücken, hatte sich für die Hilfe bedankt und die Bank so langsam wie möglich verlassen. Seinen Wagen hatte er zwei Blocks weiter in Richtung Bahnhof abgestellt, auf einem großen Parkplatz, wo er in der Menge nicht weiter auffiel.
Doch, schon, er war Autohändler. Verkaufte sogar den einen oder anderen Gebrauchtwagen. Er hatte hier eine Runde getrickst und dort eine Runde geschwindelt, und manchmal war er sich fast schon wie ein Verbrecher vorgekommen. Aber er hatte noch nie eine direkt kriminelle Handlung begangen. Dabei war das verdammt einfach. Und ganz entsetzlich. Mit zehn knisternden Tausendern in der Brieftasche war er nach Sandvika gefahren, um den nächsten Scheck einzulösen. Das mußte er machen, ehe sie merkte, daß sie ihr Scheckbuch verloren hatte, und das Konto sperren ließ.
In der zweiten Bank ging wieder alles ziemlich gut. Er trocknete sich die Oberlippe sorgfältig ab und befestigte den Schnurrbart etwas besser. Diesmal parkte er in dem großen Einkaufszentrum, dann ging er zu Fuß die fünf Minuten zu einer Bank mitten im Ortskern. Die Kassiererin sah ihn ein wenig 186
streng an, aber das lag vielleicht daran, daß er sich noch nicht ausgewiesen hatte. In seiner Verwirrung hätte er ihr fast seinen eigenen Führerschein vorgelegt, merkte das aber gerade noch rechtzeitig und konnte ihn wieder in die Tasche stecken. In seiner Verzweiflung, weil er nicht wußte, ob sie womöglich gemerkt hatte, daß er zwei Führerscheine besaß, trödelte er mit dem anderen dermaßen herum, daß es auch schon wieder verdächtig wirken mußte. Aber er bekam das Geld. Und beschloß, es dabei bewenden zu lassen.
Zwanzigtausend Kronen. Wieviel Geld hatte Agnes
eigentlich? Ob die Banken überprüft hatten, daß die Schecks gedeckt waren, ehe sie ihm die Geldscheine ausgehändigt hatten? Er versuchte, sich zu erinnern, aber er wußte es einfach nicht. Als nächstes steuerte er das Zentrum von Asker an. In der einen Minute wollte er bei seinem Entschluß bleiben und keine weiteren Schecks mehr einlösen, in der nächsten wollte er mehr.
Nur einen noch. Sein Wagen hielt den Kurs und ließ sich vom inneren Chaos seines Fahrers nicht beeinflussen.
Als er die Bank betrat, fiel ihm ein, daß alle Bankfilialen per Video überwacht werden. Das hatte er vorher schon gewußt, und deshalb war es ja so praktisch, daß der Mann auf dem Führerscheinfoto einen Schnurrbart hatte. Außer dem Schnurrbart trug er noch eine Schirmmütze, die er in einem alten Karton auf dem Dachboden gefunden hatte.
Aber in der dritten Bank fürchtete er sich plötzlich, vor allem vielleicht, weil er der einzige Kunde war.
»Was kann ich für Sie tun?« fragte ein lächelnder junger Mann und winkte ihn zu
Weitere Kostenlose Bücher