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Das Ekel von Datteln

Das Ekel von Datteln

Titel: Das Ekel von Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo P. Reinhard; Ard Junge
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akzeptiert hatte.
    Er warf die Hauptteile der Blätter in den Papierkorb und verzog sich aufs Klo, wo er morgens die Sportseiten auswendig lernte.
     
    Magers Studierstube befand sich übrigens nur eine Wäscheleine weit vom PEGASUS-Hauptquartier entfernt. Sie hatten das Hinterhaus kurz vor ihrer Hochzeit bezogen, als sie froh waren, überhaupt etwas Bezahlbares zu finden. Mager peilte damals bereits seinen Studienabbruch und die Ausbildung als Industriefotograf an, Mechthild wurde als unbezahlte Praktikantin in einem Kindergarten ausgebeutet. So sehr sie ihn inzwischen auch drängte, etwas Besseres zu suchen – Mager konnte sich von dem Palast nicht trennen.
    Die zweistöckige Erhebung war etwa zur Zeit des Westfälischen Friedens ohne Lot und rechten Winkel aufgeschüttet worden. Die Steine entstammten mindestens vier verschiedenen Erdzeitaltern, Türen und Fenster waren konsequent asymmetrisch angeordnet, Putz und Farbe spätestens beim Generalstreik gegen den Kapp-Putsch abgeblättert. Sämtliche Holzteile waren so porös, dass auch ein vom Hungertod bedrohter Termitenstamm ohne Zögern weitergewandert wäre.
    Der damalige Besitzer hatte Mager den Steinhaufen als Herrschaftswohnung im Maisonettestil angepriesen. Denn beiderseits eines Lattenrostes, der entfernt an eine Treppe erinnerte, waren jeweils zwei Zimmerchen wie Bauklötze aufeinandergestapelt.
    Alle Fenster und die Tür der Geröllhalde blickten übrigens nach Süden, zum Vorderhaus hinüber – die einzige Baumaßnahme, für die sich ein plausibler Grund finden ließ. Denn auf der Nordseite, knappe drei Meter hinter Magers Kopfkissen, donnerte jahrelang nicht nur der Nachtexpress von Moskau nach Paris, sondern auch der gesamte übrige Eisenbahnverkehr zwischen Dorstfeld und Langendreer vorüber.
    Inzwischen war es etwas ruhiger: Die Bahnlinie war für die schnellen Intercitys begradigt und dabei um einige hundert Meter nach Süden verlegt worden. Auf den alten Gleisen verkehrte nur noch die S-Bahn, sodass Mechthild endlich ungestört schlafen konnte. Der Hauswirt hatte prompt die Miete erhöht … Noch bevor Mager seine Morgenlektüre beendet hatte, donnerte Kalle an die Tür: Er musste zur Schule.
    Missmutig fuhr der Dicke seinen Spross zum Reinoldus nach Dorstfeld hinüber. Dass er Kalle statt zur Gesamtschule aufs Gymnasium schickte, hatte allerdings nichts mit schulpolitischen Erwägungen zu tun …
    »Haste heute Latein?«, fragte er, als die Anstalt vor dem Kühler des Kombi auftauchte.
    Kalle nickte düster: »Ein Scheiß-Fach, Vatta. Und eine Mumie von Pauker …«
    Mager grinste. Kalles Lateinlehrer war schon dabei gewesen, als die Penne noch an der Möllerbrücke stand und Staatliches hieß. Klaus-Ulrich Mager auch – als Schüler. Kalle war seine späte Rache.
    Zu Hause ließ Mager neuen Kaffee durchlaufen. Dabei schmierte er zwei Brötchen mit Stachelbeermarmelade und deponierte sie an seinem Stammplatz, von dem aus er den Hof im Blick hatte. Er holte die Sportseiten vom Klo und legte die Beine hoch. Bis neun konnte er die Lektüre noch bewältigen.
    Doch daraus wurde auch diesmal nichts. Draußen trommelten Schritte heran. Mager ließ den Bericht über die Samstagsniederlage der Borussia gegen den Erzfeind aus Köln sinken und schaute hinaus: Susanne. Sie fegte über den Hof, als ob sie mit dem Kopf durch die Haustür wollte. Kein Zweifel: Saale hatte gepetzt.
    »Sag mal. Mager, bist du denn von allen guten Geistern verlassen?«, fauchte sie noch auf der Schwelle und krallte sich an seinem T-Shirt fest. »Wenn Roggenkemper das herausbekommt, sind wir den Job los.«
    »Wenn er was herausbekommt?«, fragte Mager sanft und zog sich auf seinen Stammplatz zurück.
    »Stell dich nicht blöder an, als du bist. Die Video-Klamotte meine ich natürlich!«
    »Auch ein Tässchen?« Mager hob die Kanne und blickte Susanne unschuldig an.
    »Himmelherrgott – ich will keinen Kaffee, sondern eine vernünftige Erklärung, warum du das getan hast.«
    Mager verdrehte die Augen: Die siebte Grundsatzdebatte seit der Firmengründung war angesagt.
    »Also gut«, meinte er ernsthaft. »Ich bin nicht bereit, so etwas zu filmen und dann so tun, als ob mich das nichts anginge …«
    »Das ist nicht loyal«, protestierte sie. »Wir haben einen Vertrag, und Roggenkemper besorgt uns sogar noch weitere Aufträge. Es gehört sich nicht …«
    »Aber Demonstranten niederknüppeln gehört sich, was? Und zuschauen und nichts tun …«
    »Es ist nicht anständig

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