Das Ekel von Datteln
Bescheidenheit die Show verderben konnte.
»Die Herren Mager und Saale aus Dortmund. – Die Herren Bankdirektoren Werdier aus Zürich …«
Nun kam es doch zum Händeschütteln. Während Saale die Zeremonie mit hanseatischem Schliff bewältigte, fühlte sich Mager hundeelend: Am Samstag Small Talk mit dem Oberleutnant, heute mit dem Finanzkapital. In Datteln begrub er seine schönsten Prinzipien.
»Ein Fuchs, dieser Gellermann«, sagte Saale, als die Viererbande hinter einer Blechtür verschwunden war.
»Wieso?«
»Mensch, stell doch mal dein Gehirn an! Wenn der Mann als Prokurist so dick aufträgt – dann will er Kredite schinden oder die Firma verhökern …«
»Quatsch. Wenn die verkaufen wollen, dann brauchen sie doch keine Werbung mehr.«
»Auch wieder wahr …«
Sie schleppten ihre Technik nach draußen, um die Verladearbeiten ins Bild zu setzen. Dort tauchte auch Saales Schwarm wieder auf.
»Wir haben Sie schon vermisst!«
Ihr Lächeln verursachte bei Saale einen mittleren Malariaanfall.
»Gerade war hoher Besuch da«, stammelte er, als er wieder bei Stimme war.
»Ich weiß«, hauchte sie.
»Ihr Chef, der Herr Puth, sah aber überhaupt nicht gut aus. Ist er krank?«
Sie nickte: »Er hatte vor zwei Wochen einen Herzinfarkt. Frau Michalski .«
Sie stockte, als sie den Namen der Toten erwähnte.
»Frau Michalski hat ihn ins Krankenhaus gefahren. Ohne sie wäre die Sache schlimm ausgegangen.«
»Verstehe. Und ihr Tod war der nächste Schock …«
»Das glaube ich auch.«
»Gibt es in dieser Sache eigentlich etwas Neues?«
»Nichts. Ein Rätsel. Es ist wirklich …«
Mager räusperte sich.
»Wenn der Herr Beleuchter so freundlich wäre, mir etwas zur Hand zu gehen? Wenn hier Feierabend ist, können wir nicht mehr filmen …«
Saale seufzte: »Sie sehen: Die Arbeit ruft!«
»Meine auch. Herr Gellermann bittet Sie, nachher kurz bei ihm vorbeizukommen.«
»Mit dem größten Vergnügen. Schon allein, um wieder in Ihrem Büro warten zu können.«
Saale sah ihr nach, bis ihm Magers Bartgesicht die Aussicht versperrte: »Aufwachen! Ich bezahle dich nicht fürs Flirten …«
21
»Was wollen Sie?«
»Herr Michalski, wir haben Ihnen …«
»Ich weiß. Es stand ja schon in der Zeitung …«
Sie blickten sich an. Er war Anfang dreißig und mit gut ein sachtzig etwas größer als Lohkamp. Frisch rasiert und sauber gekämmt hätte er im Werbefernsehen den netten Jungen von nebenan spielen können. Aber sie hatten ihn eine Stunde nach der Frühschicht aus dem tiefsten Schlaf geholt, und da war wohl kein besserer Anblick zu erwarten.
»Dürfen wir hereinkommen?«
Er nickte und ging voran. Zwei Meter Diele, dann das Bad. Küche und Schlafzimmer rechts, das Wohnzimmer gegenüber. Fünfundvierzig Quadratmeter fast unter dem Dach in einem fantasielosen Mietshaus in der Hattinger Oststraße.
»Herr Michalski«, sagte Lohkamp, »es tut uns wirklich …«
Der andere verzog das Gesicht und wandte sich ab. Vom Fenster aus hatte er einen weiten Blick über die Altstadt bis zu den Wäldern rund um die Schulenburg. Für eine Junggesellenwohnung waren die Scheiben erstaunlich sauber.
Michalski seufzte. Er setzte sich auf die schwarze Kunstledercouch, trank einen Schluck aus einem Glas mit abgestandenem Mineralwasser und wischte mit dem Handrücken flüchtig über seinen blonden Schnäuzer, starrte vor sich hin.
»Schlimm«, sagte er endlich. »Bis gestern habe ich noch tausend Gründe gewusst, ihr den Hals umzudrehen. Aber jetzt, wo es wirklich passiert ist …« Er fummelte eine Zigarette aus einer zerknickten Marlboro-Box, suchte nach einem Feuerzeug.
»Hier«, sagte Brennecke und gab ihm seins.
»Danke …«
Einige Züge lang ließen sie ihn gewähren – sie wollten nicht unfair sein. Aber als Lohkamp Luft holte, um seine erste Frage abzuschießen, kam ihm Michalski zuvor.
»Wer war’s denn? Gellermann?«
»Wie kommen Sie auf den?«
Michalski schniefte: »Mein Nachfolger. Wissen Sie das nicht? Ruth stand auf reichen Mackern – und für ihre Karriere tat sie alles. Hatte sie noch immer die Möse rasiert?«
Brennecke schaute Lohkamp an, aber der war auch perplex. Im Telex der Holländer hatte darüber nichts gestanden. Ganz Interpol hätte sich über solch ein Fernschreiben gefreut.
»Gellermann steht auf so was, und Gellermann war für sie der Größte. Lässig und erfolgreich – die heimliche Nummer drei in der Stadt. Mit bestem Draht zu Roggenkemper und Puth. Und die ganz
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