Das Ekel von Datteln
große Karriere noch vor sich … Also machte sie ihn scharf und sorgte dafür, dass er es blieb …«
»Und warum sollte Gellermann sie umbringen?«
»Weil sie falsch wie eine Katze war. Wenn sie zu jemandem ins Bett stieg, war das reine Berechnung. Sobald er eingeschlafen war, wühlte sie seinen Schreibtisch durch. Bestimmt hat sie auch über den schönen Uwe gesammelt, was sie kriegen konnte.«
»Warum?«
»Hören Sie, der Mann soll mal in Düsseldorf Minister werden. Wenn man über so einen was weiß …«
»Und was kann man über ihn wissen?«
»Keine Ahnung. Aber wo sie auch gearbeitet hat – nebenher hat sie immer nach den Leichen gesucht, die ihre Chefs im Keller hatten. Im Bauamt war das so, bei Roggenkemper – warum nicht auch bei Gellermann und Puth? Haben Sie die Ordner nicht gefunden? Sie hat sich doch jede Menge Kopien gemacht.«
»Was wollte sie damit?«
»Für alle Fälle, wie sie immer sagte. Als Rentenversicherung …«
»Und um was es sich handelt …«
»Keine Ahnung. Ich habe einmal geschnüffelt, als sie noch im Bauamt war. Berechnungen und Quittungen, mit denen ich nichts anfangen konnte. Aber sie hat es gemerkt, und dann waren die Akten weg.«
»Wohin?«
»Ich habe nicht nachgehakt. Falls sie mit dem Zeug jemals etwas anfing, war das sicher nicht legal. Und damit wollte ich nichts zu tun haben.«
Er drückte die Zigarette aus und stand auf: »Wollen Sie auch einen Kaffee?«
Sie wechselten in die Küche. Auch hier war aufgeräumt, lediglich in der Spüle standen, offenbar noch vom Frühstück, ein paar benutzte Teller. Wenn Lohkamp an den Dauerzustand der Wohnung dachte, die er vor seiner Heirat hatte, schnitt diese besser ab.
»Haben Sie überhaupt schon gegessen?«
Er blickte zwischen Brennecke und der Spüle hin und her, dann nickte er: »Doch. Im Finanzamt. Die haben eine Bomben-Kantine …«
Während sie zuschauten, wie der Kaffee durchlief, begannen sie systematischer zu fragen. Die Geschichte ihrer Ehe – so, wie Michalski sie sah.
Er kannte sie, seit sie sechzehn und er achtzehn war – aus der Berufsschule. Bei einer Zufallsbegegnung in der Pause hatte es gefunkt, und dann gingen sie zusammen. Zwölf Monate später zogen sie ihn zum Bund, und Ruth blieb ihm zwei Jahre lang treu.
Als er zurückkam, war die Klitsche, in der er gelernt hatte, dicht. Da er keine neue Stelle fand, meldete er sich bei der Polizei – die nächste Grundausbildung, die nächsten Trennungen. Aber diesmal sei sie ihm nicht mehr ganz so treu geblieben.
»Sie rutschte in eine Clique von Rathaus-Miezen, die auf betuchten Knaben standen. Leute, bei denen Geld keine Rolle spielte. So Typen, wie sie heute in der Börsengasse herumhängen …«
Er stellte die Kanne mit dem Kaffee und die Tassen auf ein Tablett und führte die Kripo-Leute zurück ins Wohnzimmer.
»Aber bald kapierte sie, dass sie für diese Typen nur ein Wanderpokal war, den man zum Schluss auf den Sperrmüll packt. Da kappte sie alle Kontakte, und ich dachte schon, es würde wieder wie früher. Aber sie hatte Blut geleckt: Sie wollte Geld, Klamotten, eine tolle Wohnung, jede Menge Extras – und das war mehr, als ein Polizist und eine Rathaustippse sich leisten können.«
1978 kam er nach Recklinghausen. Auf Streife hatte er erstmals Arbeitszeiten, die sie halbwegs berechnen konnten. Doch aus der erhofften Familienidylle wurde nichts …
»Ruth war jeden Abend weg: Deutsch und Mathe an der Volkshochschule, Sekretärinnen-Lehrgänge. Wenn sie wirklich mal zu Hause war, las sie nur herum. Von Schöner Wohnen bis Merian. Sie wollte nach oben, und dazu musste sie mitreden können …«
Mit 24 war sie Sekretärin im Bauamt, mit 26 – vor vier Jahren – bei Roggenkemper.
»Als sie den ersten Vorzimmerjob bekam, sollte ich auch weitermachen. So ’n einfacher Bulle tat’s nicht mehr, ein Kommissar musste her. Aber ich wollte nicht. Ich wollte meinen Job machen und ein bisschen was vom Leben haben. Abends mal zum Bowlen gehen oder einfach in die Kneipe. Als ich ihr das sagte, hatte ich verschissen …«
Er griff wieder nach seinen Zigaretten – die fünfte, seit sie gekommen waren.
»Sie wurde kalt und berechnend. Was der Karriere schadete, ließ sie; wer ihr nicht helfen konnte, war gestorben; aber für ihre Gönner machte sie auch die Beine breit …«
»Auch für Roggenkemper?«, platzte Brennecke dazwischen. Lohkamp schickte ihm einen Blick hinüber, der in keinem Waffenverzeichnis stand.
»Gut möglich. Der galt auch
Weitere Kostenlose Bücher