Das Ekel von Datteln
Mager ihre Schreibtische bewachten.
»Fertig?«
Saale nickte, und Susanne reichte ihm das Kostenexposé, das sie auf der Grundlage der drei Stunden alten, vorletzten Fassung des Drehbuchs erstellt hatte. Die fünfstellige Summe rechts unten ließ ihn die Strapazen vergessen, die ihm das Opus bereitet hatte – und auch die beißende Kritik, mit der Mager morgens um neun seinen ersten Entwurf auf das Firmenklo gehängt hatte.
»Wart ihr noch mal auf der Bank?«
Mager nickte: »Die Fünftausend sind noch nicht da. Ich sag dir’s, der hat uns nur als Pappkameraden gebraucht, um vor den Bankheinis Eindruck zu schinden. Wenn du dein Kunstwerk nachher ablieferst, kann sich Gellermann an nichts mehr erinnern.«
»Abwarten«, meinte Saale. »Schreibt doch noch eine Bemerkung rein: Vorbehaltlich der von Herrn Gellermann angekündigten Akontozahlung …«
Susanne nickte.
»Schön. Kopiert ihr mir die Blätter? Ich muss mich noch landfein machen.«
»Für Gellermann?«, fragte Mager.
Saale grinste nur.
»Hör mal«, drohte Mager. »Lass heute die Sauferei! Wenn du die Karre wieder vor irgendeiner Kneipe stehen lässt, gibt es Ärger. Kalle hat morgen zur ersten Stunde …«
Saale nickte und nahm die Beine in die Hand. Die Suchaktion vom Samstagnachmittag war so ziemlich das Letzte, worüber er jetzt diskutieren wollte. Mehr als eine Stunde waren sie mit Susannes Golf durch Bochum geirrt, bis sie den Firmenpanzer schließlich gefunden hatten – am Beginn der Sündentour, vor der Zeche. Mager würde ihm den verlorenen Nachmittag noch auf dem Sterbebett vorhalten.
Eine Stunde später parkte er vor Puths Bürosilo ein und flog die Treppen hinauf. Helga Kronenberger erwartete ihn mit einem schadenfrohen Lächeln.
»Guten Tag, Herr Saale. Geht es Ihnen gesundheitlich wieder besser? Freut mich sehr. Oh, und was für eine schöne Krawatte Sie da umgebunden haben.«
»Ich habe keine andere, gnädige Frau. Das ist nackte Armut.«
Sie kam um den Schreibtisch herum und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Verlegen ging er auf Abstand und deutete auf die Tür, die ins Büro ihres Chefs führte: »Wenn dich …«
»Quatsch. Die Firmenleitung ist ausgeflogen. Gellermann hat irgendeine Sitzung bei seinem Landesvorstand, und Puth geht’s nicht gut. Er will zu Hause weiterarbeiten.«
Enttäuscht sank Saale auf den Besuchersessel: »Und ich schlage mir die Nacht um die Ohren …«
»Kopf hoch! Ich soll dich zu Puth bringen. Er muss sowieso noch Post unterschreiben.«
»Bist du jetzt Ruths Nachfolgerin?«
»Das ist noch nicht raus. Setz dich einen Moment, ich bin gleich soweit …«
Bis zur Zechenstraße fuhr Helga mit ihrem Polo voraus. Saale schwitzte Blut und Wasser, um sie nicht aus den Augen zu verlieren – hinter dem Steuer verwandelte sich die brave Sekretärin wieder in die Höllenfrau vom Freitagabend. Als sie am alten Torhaus der Zeche Emscher-Lippe links abbog und ihren Wagen auf dem Coop-Parkplatz abstellte, atmete er erleichtert auf.
Sie raffte ihr Gepäck zusammen und kletterte in den Lada: »Übrigens, da drüben wohne ich.«
Er blickte hinaus: Eine Reihe vierstöckiger Häuser etwa aus den Sechzigern, rote Giebelwand, weiße Verkleidung vorn, Balkone mit wild wuchernden Fuchsien.
»Allein?«
Sie schüttelte den Kopf: »Mit Mutter. – Und jetzt fahr!«
Sie zockelten die Bundesstraße entlang, nordwärts, der Kanalbrücke zu, im Feierabendverkehr eine harte Geduldsprobe. Aber als er am Ortsausgangsschild aufs Gas trat, schüttelte sie den Kopf: »Langsam. Wir sind gleich da!«
Hinter der Brücke musste er einige Wagen aus der Gegenrichtung vorbeilassen, ehe er abbiegen konnte. Vom erhöhten Fahrdamm der Bundesstraße bot sich ein weiter Blick über den Uferbereich des Kanals. Keine Frage: Puth hatte für seine Residenz eine schöne Ecke ausgesucht.
»Stimmt«, meinte Helga. »Meinst du, der baut auf dem alten Kokereigelände? Landschaftsschutzgebiet. – So, hier sind wir …«
Saale bremste vor dem weißen Eisentor, das schon Lohkamp und Brennecke beeindruckt hatte, und pfiff durch die Zähne:
»Nicht übel! Wie kommt man im Landschaftsschutzgebiet zu solch einem Haus?«
»Musst du Roggenkemper fragen oder Puths Freunde im Bauamt. Die haben ursprünglich nur einen Flachdachbungalow für Puths Pferdepfleger genehmigt – das Gestüt nebenan gehört ihm auch.«
»Die hätten den Bau doch gar nicht abnehmen dürfen …«
Sie zuckte die Achseln: »Das ist Datteln. Mit irgendwas werden die der
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