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Das Ekel von Datteln

Das Ekel von Datteln

Titel: Das Ekel von Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo P. Reinhard; Ard Junge
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Landkriegsordnung von 1907. Dennoch sprang sie gehorsam auf und tat ihre Pflicht, während ihr Boss sich gemütlich hinter dem Schreibtisch niederließ.
    »Ja, wissen Sie«, rückte die Blümchenkrawatte mit ihrem Anliegen heraus, »übernächste Woche, zur Silberhochzeit, die feiere ich Freitag im Kolpinghaus, da wollte ich meiner Frau eine besondere Freude machen, wissen Sie …«
    Mager wusste.
    »Sie wollen, dass wir Ihren Festtag auf Video dokumentieren? Eine wunderbare Idee und eine bleibende Erinnerung, da haben Sie ganz recht …«
    Der Mann nickte und flüsterte: »Ich habe natürlich keinerlei Vorstellung, was das Ganze kosten wird.«
    »Weit weniger, als Sie fürchten«, versicherte Mager und versuchte, den Wert der Kleidung des Jubilars in Honorarsätze umzurechnen.
    »Das hängt natürlich davon ab, wie lang die Dokumentation werden soll, ob Sie Originalton wünschen oder eine angemessene musikalische Untermalung, die wir Ihnen gerne beimischen. An was hatten Sie denn gedacht, Herr …«
    »Rohrbach!«, verbeugte sich der Krawattenmann und tupfte mit einem weißen Taschentuch den Schweiß aus der Stirn: »Das Sanitätshaus …«
    Mager nickte: Nach Kalles Geburt hatte er dort, genauso schwitzend wie der Mensch vor ihm, ein Dutzend Still-BHs abgeholt, die Mechthild im Krankenhaus ausprobierte, bevor sie einen kaufte. Der Laden lief gut, erinnerte er sich. Unter seiner Schädeldecke klingelte eine unsichtbare Registrierkasse.
    »Also, wenn schon, dann auch etwas Richtiges …«
    Diesem Grundsatz konnte Mager nur beipflichten.
    Eine Viertelstunde später waren sie einig. Blümchen wollte alles: Das Ständchen, das der Posaunenchor des Kolpingvereins am Morgen geben würde, den Empfang im Wohnzimmer am Mittag, die Sause im Festsaal am Abend. Mit allen Reden, dem O-Ton und den schönsten Melodien aus dem Freischütz als Balsam für die Seele.
    »Und wir sollen wirklich bis zum Schluss im Einsatz bleiben?«, vergewisserte sich Mager noch einmal. »Das wären vierzehn, fünfzehn Stunden für zwei Leute!«
    »Macht nichts«, beharrte der Korsetthändler. »Als Schlussbild stelle ich mir vor, wie ich Else zum Auto geleite, und die Gäste winken. Geht das?«
    »Selbstverständlich!«, versicherte Mager und bot ein weiteres Schnäpschen an. »Ich erarbeite Ihnen heute noch ein Kostenexposé, und das senden Sie mir bitte bis Ende der Woche unterschrieben zurück. Einverstanden?«
    Sie schieden als Freunde. Sechs bis acht Blaue als Reibach, so schätzte Mager, würde der Job nach Abzug aller Kosten bringen. Und freien Zugriff zum kalten und warmen Büffett hatte er sich außerdem ausbedungen.
    Der Mann ahnte ja nicht, was er sich damit eingebrockt hatte.

31
     
     
    Ein neuer Montag hatte begonnen, kühl und verregnet, der dritte, seitdem Lohkamp die Stelle in Recklinghausen angetreten hatte. Missmutig bestieg er den Ascona und kämpfte sich über die verstopfte Castroper Straße in Richtung Innenstadt durch. Ruth Michalski war nun zwei Wochen und zwei Tage tot – und die Ermittlungen hatten nichts gebracht, womit er der Staatsanwaltschaft oder dem Haftrichter unter die Augen treten konnte.
    »Morgen«, knurrte er, als er um zehn nach acht das Büro betrat. Er warf seine Jacke über die Stuhllehne und bediente sich an der Kaffeemaschine.
    »Post da?«, fragte er Brennecke.
    Der schüttelte den Kopf: »Vor halb zehn …«
    »Ich weiß schon. Holen Sie mal die anderen …«
    Er setzte sich, rührte in seiner Tasse und wartete. Außer ihm und Brennecke arbeiteten am Mordfall Michalski immer noch zwei Kollegen aus der eigenen Kommission und eine Kommissarin, die sie aus dem Betrugsdezernat ausgeliehen hatten. In weniger als fünf Minuten hatten sie sich in seiner engen Bude versammelt.
    »Wir sitzen jetzt seit zwei Wochen an dem Fall«, sagte er ohne besondere Einleitung. »Wir haben einen ganzen Aktenordner mit Papier vollgestopft, aber es steht wenig drin. Mein Vorschlag: Nach der Frühbesprechung setzt sich jeder an seinen Schreibtisch, denkt eine halbe Stunde lang nach und schreibt seine Meinung zu zwei Fragen auf. Erstens: Was haben wir falsch gemacht? Zweitens: Wie müssen wir weiter vorgehen? – Einwände?«
    Die Frau vom Betrug schaute ihn verblüfft an, aber der Rest nickte. Dann pilgerten sie zum Konferenzsaal, zur Morgenandacht des Kriminalchefs von RE.
    Lohkamp ließ den Polizeibericht des Wochenendes über sich ergehen wie das Wort zum Sonntag – seine sterbliche Hülle saß im Raum und heuchelte

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