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Das Ekel von Datteln

Das Ekel von Datteln

Titel: Das Ekel von Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo P. Reinhard; Ard Junge
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rechts. Mit einem wütenden Hupkonzert donnerte der LKW an ihnen vorbei.
    »Ist was?«, fragte Saale, ging aber im Tempo ein wenig herunter.
    Mager brauchte einige Atemzüge, bis er sich wieder erholt hatte. Er fingerte nach seinen Zigaretten und drückte den elektrischen Anzünder hinunter. Als das Gerät wieder aus der Aufwärmstellung heraussprang, hielt er Saale den glühenden Draht unter die Nase.
    »Mach das nicht noch mal, Kumpel. Wenn ich im Einsatz draufgehen will, fliege ich nach Beirut. Aber ich will im Bett sterben – ganz friedlich, mit einem guten Buch in der Hand. Merk dir das!«
     
    Susanne bastelte gerade an einem Hörfunk-Beitrag für Radio Dortmund, als sie die Ausrüstung hereintrugen. Sie hatte am Vortag eine Gruppe alternativer Schrebergärtner interviewt und notierte sich die Passagen, die sie als Originalton in ihren Enthüllungsreport einklinken wollte.
    »Wo wart ihr denn?«
    »Landschaftsaufnahmen«, nuschelte Mager und drückte die Tür des Studios hinter sich ins Schloss.
    »Wann kommt deine Schwiegermutter?«, fragte er.
    »Um sechs …«
    »Hoffentlich bringt das auch was …«
    »Bestimmt«, versicherte Saale eifrig. »Die Frau kennt halb Datteln und kann uns ganz genau sagen, wer alles da war. Die ist auch sonst …«
    Mager tippte sich an die Stirn und machte sich auf dem Weg zum Mittagessen, wäre aber mitten auf dem Hof am liebsten wieder umgekehrt: Der liebliche Duft von Mechthilds Sojasoße wehte ihm entgegen.
    Aus diplomatischen Gründen würgte er eine Portion ungeschälten Reis mit Brechbohnen herunter, ermahnte Kalle, die Schularbeiten zu erledigen, und Mechthild, ihn ja nicht vor zwei Stunden zu wecken. Ehe sie zu einer Entgegnung fähig war, lag er bereits im Bett und schlug den neuesten Colin Dexter auf. Doch lange bevor er zum Ende der Dritten Meile vorgedrungen war, sägte er bereits an einem kanadischen Ahornwald.
    Fertig wurde er mit dieser wichtigen Arbeit allerdings nicht. Es schien ihm, als habe er eben erst seine Wimpern heruntergekurbelt, da landete ein nasser Waschlappen in seinem Gesicht. Als er wieder sehen konnte, hatte sich Kalle, der seinen Alten nur zu gut kannte, schon wieder zur Tür zurückgezogen.
    »Vorne ist Kundschaft. Die Tussie sagt, du sollst dich aber vorher kämmen …«
    Mager streifte sich ein frisches Hemd und einen sauberen Pullover über und polterte die Stiege hinab. An der Wohnzimmertür lauerte Mechthild: »Weißt du eigentlich, wie spät es ist?«
    »Nein«, brummte Mager, »aber vorne ist Kundschaft. Ich muss mich beeilen.«
    »Drei Uhr!«, verkündete sie triumphierend. »Der Herr hat zwei Stunden Mittagsruhe gehalten. Und wer sieht Kalles Hausaufgaben nach? Wer muss die Wäsche aufhängen? Und überhaupt: Ist der Brief an die Versicherung fertig?«
    Der Dicke stöhnte. Zu erwarten, dass er schlafend Briefe schrieb – zu solcher Unlogik war nur die Mutter seines Sohnes fähig.
    Mager hütete sich aber, seine Gedanken in Worte zu kleiden. Damit hätte er genau jene Debatte eingeleitet, die er vermeiden wollte. So flehte er nur: »Begreif doch: Vorne wartet Kundschaft.«
    Er wollte sich an ihr vorbeidrängen, doch sie wich keinen Millimeter: »So kannst du nicht mehr mit mir umspringen, Klaus-Ulrich!«
    »Mechthild-Mädchen«, beschwor er sie, »würdest du bitte deinen Balkon aus dem Weg …«
    »So schon gar nicht! Ich habe dich was gefragt und will eine klare Antwort!«
    »Mensch, es reicht! Ich muss arbeiten!«, brüllte er, schubste sie ins Wohnzimmer und raste los.
     
    Auf dem Besucherstuhl parkte ein untersetzter Endvierziger mit blauem Popelinemantel, Maßanzug, Weste und Blümchenkrawatte und starrte auf den Fernseher in der Ecke. Karin führte ihm eine Kollektion der berühmtesten Videos vor, die PEGASUS je produziert hatte. Gerade flimmerte der Schocker mit dem Zahnersatz über den Bildschirm, und der Gast betrachtete die Leiden der Patienten mit einer gesunden Mischung aus Furcht und Faszination.
    »Tut mir leid, dass Sie warten mussten«, sülzte Mager und tätschelte die schlaffe Rechte des Kunden. »Aber ich musste noch den Anruf unseres Mitarbeiters in Frankfurt entgegennehmen.«
    Der Blaumantel blickte ihn misstrauisch an. Die Rote musste ihm Gott-weiß-was erzählt haben.
    »Ein Tässchen Kaffee? Fräulein Karin, wären Sie so nett? Aber frischen bitte, und ein wenig fix darfs auch sein. – Was kann ich für Sie tun?«
    Der Blick, den ihm die Rote herüberschickte, war ein offener Verstoß gegen die Haager

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