Das Ekel von Säffle
Kollberg. »Willst du nicht die Einsatzzentrale anrufen? Sieht aus, als ob dich jemand sucht.«
»Alles zu seiner Zeit«, brummte der Mann. »Im übrigen bin ich freiwillig hier.«
»Ich glaub nicht, daß hier Freiwillige gebraucht werden«, entgegnete Kollberg. Er irrte sich aber.
»Es läuft ja alles wie am Schnürchen«, sagte Gunvald Larsson. »Ich bin jedenfalls mit meiner Arbeit hier fertig.« Er irrte sich ebenfalls.
Gerade als er den ersten großen Schritt zu seinem Auto getan hatte, peitschte ein Schuß, und jemand rief um Hilfe, gellend und angstvoll.
Gunvald Larsson blieb abrupt stehen und blickte auf seine Uhr. Es war zehn Minuten nach zwölf.
Auch Kollberg horchte schlagartig auf.
War es das, worauf er gewartet hatte?
»Was diesen Eriksson betrifft«, begann Melander und schob den Aktenstapel zur Seite, »so ist das eine lange Geschichte. Ihr kennt sicher einen Teil davon.«
»Geh mal davon aus, daß wir überhaupt nichts wissen und fang von vorn an«, bat Martin Beck. Melander lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und fing an, seine Pfeife zu stopfen.
»Na schön, also von Anfang an. Äke Eriksson, 193 5 in Stockholm geboren. Einziges Kind. Vater Dreher. 1954 Abgang von der Realschule, anschließend Militärdienst, und als er den hinter sich hatte, Bewerbung bei der Polizei. Mit der Beförderung zum Polizeiaspirant begann er mit der Freiwilligen-Unterführer-Ausbildung.« Er steckte sorgfältig seine Pfeife an und paffte kleine Rauchwolken über die Tischplatte. Rönn, der an der anderen Seite des Schreibtischs saß, hustete laut und vorwurfsvoll. Melander ließ sich dadurch nicht beeindrucken, er qualmte weiter und fuhr fort:
»Ja, das wäre in kurzen Worten die erste und vergleichsweise uninteressante Hälfte von Erikssons Leben gewesen. Ab 1956 ging er Streife in Katarina. Über die folgenden Jahre ist nicht viel zu sagen, er war, soweit man das verfolgen kann, ein mittelmäßiger Polizist, weder besonders gut noch besonders schlecht. Klagen oder Beschwerden gegen ihn hat es nicht gegeben, aber ich kann mich auch nicht erinnern, daß er sich in irgendeiner Weise ausgezeichnet hat.«
»War er die ganze Zeit lang in Katarina?« fragte Martin Beck, der an der Tür stand und einen Arm auf den Aktenschrank gestützt hatte.
»Nein. In den ersten vier Jahren hat er in drei oder vier verschiedenen Revieren Dienst getan«, antwortete Melander. Er schwieg und zog die Stirn in Falten. Nahm die Pfeife aus dem Mund und zeigte mit dem Stiel auf Martin Beck. »Zum Thema zurück«, fuhr er fort. »Ich hab gesagt, daß er in keinem Punkt besonders auffiel. Das ist falsch, er war ein ausgezeichneter Schütze.
Kam bei Wettkämpfen immer auf einen sehr guten Platz.«
»Ja«, bestätigte Rönn, »daran kann ich mich sogar erinnern. Er war gut mit der Pistole.«
»Er war auch ausgezeichnet auf große Distanzen«, ergänzte Melander. »Und während der ganzen Zeit machte er mit seiner Freiwilligen-Unterführer-Ausbildung weiter; seinen Urlaub verbrachte er meistens in FU A-Lagern.«
»Du hast gesagt, daß er in jenen Jahren in drei oder vier verschiedenen Revieren gearbeitet hat.
War er dabei auch in Stig Nymans Revier?« fragte Martin Beck.
»Eine Zeitlang ja. Im Herbst 1957 und das ganze Jahr 1958 über. Dann bekam Nyman ein neues Revier.«
»Weißt du, wie Nyman sich damals Eriksson gegenüber verhalten hat? Er konnte ja ziemlich gemein mit Leuten umgehen, die er nicht mochte.«
»Nichts deutet daraufhin, daß er Eriksson härter angefaßt hätte als die anderen jungen Kerle. Erikssons Beschwerden über Nyman beziehen sich auch weniger auf Dinge, die in dieser Zeit vorgefallen sind. Aber wenn man Nymans Methoden kennt, mit denen er Muttersöhnchen zu Männern machte, wie er sich auszudrücken pflegte, kann man annehmen, daß auch Äke Eriksson seinen Teil davon abbekommen hat.« Melander hatte sich die meiste Zeit über an Martin Beck gewandt, jetzt blickte er zu Rönn hinüber, der zusammengesunken auf dem Besucherstuhl hockte und so aussah, als ob er jeden Moment einschlafen würde. Martin Beck folgte seinem Blick und sagte:
»'ne Tasse Kaffee könnte jetzt nicht schaden, nicht wahr, Einar?« Rönn schreckte hoch und murmelte: »Nein, vielleicht nicht. Ich hol mal welchen.« Er schlurfte aus dem Zimmer, und Martin Beck blickte ihm nach und überlegte einen Augenblick, ob er selbst ebenso mitgenommen aussah.
Als Rönn mit dem Kaffee zurückkam und sich in den Sessel fallen ließ, sagte Martin
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