Das Ekel von Säffle
Auftrag auszuführen. Der Aussage des Wachhabenden im Arrestlokal nach hatten die beiden Polizisten selbst den Entschluß gefaßt, sie einzusperren. Jeder schob also die Schuld auf einen anderen. Da aus der Zelle kein Geräusch zu hören gewesen war, hatte die Arrestwache geglaubt, sie schliefe. Eine Möglichkeit, sie zur Kriminalpolizei abzutransportieren, hatte sich während der fast drei Stunden nicht ergeben. Als die Ablösung kam, schloß der Nachtwächter die Zelle auf und stellte fest, daß sie nicht mehr lebte. Zu diesem Zeitpunkt war Hult auf dem Revier, er telefonierte nach einem Krankenwagen, konnte sie aber nicht mehr an ein Krankenhaus abschieben, da sie bereits tot war.«
»Wann genau starb sie?« fragte Martin Beck.
»Man fand heraus, daß sie eine Stunde vor Öffnung der Zelle gestorben war.« Rönn reckte sich und gab zu bedenken: »Wenn man zuckerkrank ist… ich meine, haben nicht Leute mit solchen Krankheiten einen Ausweis oder so was, aus dem hervorgeht, woran sie leiden und wie man ihnen helfen kann?«
»Stimmt«, antwortete Melander. »Und den hatte Marja Eriksson auch bei sich, in ihrer Handtasche. Aber wie du wahrscheinlich weißt, war das Problem ja, daß sie nie durchsucht worden ist. Auf der Wache hatten sie kein weibliches Personal, sie hätte also hier bei der Kriminalpolizei durchsucht werden müssen. Wenn sie hierher gebracht worden wäre.« Martin Beck nickte.
»Später beim Verhör sagte Nyman aus, daß er weder die Frau noch ihre Tasche gesehen hätte und die beiden Polizisten und der Wachhabende im Arrestlokal mußten die Verantwortung allein übernehmen. Soviel ich weiß sind sie mit einer Verwarnung weggekommen.«
»Wie reagierte Äke Eriksson, als er erfuhr, was passiert war?« wollte Martin Beck wissen.
»Er bekam einen Schock und war zwei Monate lang krank geschrieben. Wurde, soviel ich weiß, völlig apathisch. Als seine Frau nicht nach Hause kam, hatte er schließlich entdeckt, daß sie die Spritze vergessen hatte. Zuerst rief er alle Krankenhäuser an, und dann setzte er sich ins Auto und fuhr umher, um nach ihr zu suchen, es dauerte daher eine gute Zeit, bis er erfuhr, daß sie nicht mehr am Leben war. Ich glaube nicht, daß sie ihm gleich die ganze Wahrheit gesagt haben, aber nach und nach muß er spitzgekriegt haben, wie es dazu gekommen war, denn im September reichte er seine erste Anzeige gegen Nyman und Hult ein. Aber da war die Untersuchung bereits zu den Akten gelegt worden.« In Melanders Zimmer war es still geworden.
Melander hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und starrte an die Decke, Martin Beck lehnte sich an das Fensterbrett und blickte abwartend und nachdenklich zu Melander hinüber, und Rönn saß einfach nur da.
Schließlich fragte Martin Beck: »Was geschah mit Äke Eriksson nach dem Tod seiner Frau? Ich meine, wie hat er die Sache seelisch verkraftet?«
»Ich bin kein Psychiater, und auf das Urteil eines Experten können wir nicht zurückgreifen, denn soviel ich weiß, ist er nicht mehr zum Arzt gegangen, seit er im September 1961 wieder gesund geschrieben worden ist. Vielleicht hätte er es tun sollen.«
»Aber er wurde anders nach diesem Vorfall, oder?«
»Ja, es ist offensichtlich, daß er eine Art Persönlichkeitswandel durchmachte.« Er legte die Hand auf den Stapel mit Akten, die Strömgren aus verschiedenen Büros zusammengetragen hatte. »Habt ihr das hier durchgelesen?« erkundigte er sich.
Rönn schüttelte den Kopf, und Martin Beck sagte:
»Nur zum Teil. Das hat Zeit. Ich glaube, wir bekommen schneller ein klares Bild, wenn du uns eine Zusammenfassung gibst.« Er überlegte, ob er ein paar lobende Worte hinzufügen sollte, ließ es aber sein, weil er wußte, daß Melander für Schmeicheleien nicht empfänglich war.
Melander nickte und biß auf seine Pfeife. »Okay«, sagte er. »Als Äke Eriksson wieder zum Dienst zurückkam, war er verschlossen und still und blieb so oft wie möglich für sich allein. Die Kameraden versuchten ihn aufzumuntern, was ihnen aber nicht gelang. Zuerst hatten sie viel Geduld mit ihm, denn alle wußten, was vorgefallen war, und er tat ihnen leid, aber da er nie ein Wort mehr sagte, als für den Dienst unbedingt nötig war, und ihnen niemals zuhörte, gingen sie ihm schließlich aus dem Weg und waren froh, wenn sie nicht enger mit ihm zusammenarbeiten mußten. Früher war er bei den Kameraden beliebt gewesen, und sie hofften noch, daß er wieder der Alte werden würde, wenn die Zeit der
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