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Das Ekel von Säffle

Das Ekel von Säffle

Titel: Das Ekel von Säffle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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Hauptpastor Einspruch erhebt, wenn die Polizei einen Scharfschützen auf den Kirchturm schickt?« Keiner hörte ihm richtig zu.
    Der Plan für die nächsten Aktionen war fertig. Zuerst sollte der Mann auf dem Dach eine Möglichkeit bekommen, sich freiwillig zu stellen. Falls er nicht darauf einging, war er gewaltsam festzunehmen oder nötigenfalls zu erschießen. Das Leben von weiteren Polizisten sollte nicht aufs Spiel gesetzt werden. Der entscheidende Einsatz mußte von außen kommen.
    Leiterwagen der Feuerwehr standen auf Observatoriegatan und Odengatan bereit; sie sollten eingesetzt werden, wenn die Lage es erforderlich machte. Besetzt waren sie mit Feuerwehrleuten, denn irgendwer mußte ja den technischen Teil erledigen, aber auch mit Polizisten in Feuerwehruniformen.
    Martin Beck und Rönn konnten einige wichtige Einzelheiten beitragen. Daß Eriksson, immer unter der Voraussetzung, daß er es wirklich war, mit einem amerikanischen Johnson-Schnellfeuergewehr und einem normalen Repetiergewehr, wie die Armee sie benutzte, bewaffnet war, beide wahrscheinlich mit Zielfernrohr. Außerdem einer Wettkampfpistole der Marke Hammerli.
    »Johnson Automatic«, bemerkte Gunvald Larsson. »Scheiße. Gewichl keine sieben Kilo; unheimlich handlich; damit kannst du umgehen wie mit `ner MP. Hat `n ganz schwachen Rückstoß und `ne Feuergeschwindigkeit von 160 Schuß in der Minute.« Der einzige, der ihm zuhörte, war Rönn. Und der sagte nur: »So, so.« Dann gähnte er. Gegen die Natur kann keiner an.
    »Der trifft mit dem Mausergewehr eine Laus auf einer Visitenkarte auf sechshundert Meter Entfernung. Bei gutem Licht und `n bißchen Glück legt er einen Mann auf mehr als tausend Meter Entfernung um.« Kollberg, der über einen Stadtplan gelehnt stand, nickte. »Überleg mal, was er alles abknallen kann, wenn's ihm Spaß macht«, fuhr Gunvald Larsson fort.
    Er hatte sich damit amüsiert, bestimmte Entfernungen auszurechnen. Von dem Dach aus, auf dem Eriksson sich verschanzt hatte, waren es hundertfünfzig Meter bis zur Kreuzung Odengatan-Hälsingegatan, zweihundert Meter bis zum Hauptgebäude des Sabbatsberg-Krankenhauses, dreihundert bis zur Gustav Vasa-Kirche, fünfhundert bis zum Bonnierhaus, tausend Meter bis zum ersten Hochhaus auf Hötorget und elfhundert bis zum Rathaus.
    Malm wischte solche Reflexionen überlegen und gereizt beiseite. »Ja, ja«, sagte er. »Aber daran wollten wir jetzt nicht denken.« Der einzige, der kaum einen Gedanken an Tränengasbomben und Hubschrauber, Wasserkanonen und Handfunkgeräte verschwendete, war Martin Beck.
    Er stand still für sich in einer Ecke, und nicht nur weil er in geschlossenen Räumen eine gewisse Platzangst bekam, zumal wenn auch noch mehrere Personen darin waren. Er dachte an Ake Eriksson und die Umstände, die diesen Mann in die groteske und desperate Lage gebracht hatten, in der er sich jetzt offensichtlich befand. Vielleicht hatte sich sein Geist jetzt völlig verwirrt, und er war zu keinem Gespräch oder irgendwelchen menschlichen Kontakten mehr fähig; aber das war keineswegs bewiesen. Auf jeden Fall mußte irgend jemand die Verantwortung dafür auf sich nehmen. Nyman nicht; abgesehen davon, daß er tot war, hatte er niemals verstanden, was Verantwortung für einen Menschen eigentlich bedeutete, oder daß so ein Begriff überhaupt existierte. Natürlich auch nicht Malm; für den war Eriksson nichts weiter als ein gefährlicher Irrer auf einem Dach, und zu diesem Menschen hatte die Polizei keine andere Beziehung als die der Ordnungsmacht, deren Aufgabe es ist, ihn so oder so unschädlich zu machen.
    Aber er selbst wurde sich immer stärker der Ahnung einer Schuld bewußt. Einer Schuld, die er vielleicht abtragen konnte, indem er in irgendeiner Form dafür büßte.
    Zehn Minuten später schoß der Mann auf dem Dach auf einen Konstapel, der sich an der Ecke Odengatan-Torsgatan aufhielt. Fünfhundert Meter von dem Fenster entfernt, von dem aus der Schuß offenbar abgegeben worden war. Das Erstaunliche war nicht die Entfernung, sondern eher die Tatsache, daß es dem Schützen gelungen war, den Polizisten trotz der Sichtbehinderung durch die entlaubten Äste des Parks ins Visier zu bekommen.
    Der Schuß traf den Konstapel in die Schulter und wäre tödlich gewesen, wenn der Mann keine kugelsichere Weste getragen hätte.
    Eriksson gab nur diesen einen Schuß ab, vielleicht um seine Aufmerksamkeit und Treffsicherheit zu demonstrieren, oder es war eine reine Reflexhandlung

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