Das Ekel von Säffle
weißen Kittel auf, zog die Pistole heraus und sagte: »Er ist auf dem Dach, soviel ist schon mal klar. Jetzt werden wir weitersehen.«
»Ja, eben war er auf dem Dach«, bestätigte Kollberg.
»Wie meinst du das?«
»Ich glaub nicht, daß er vorhin von dort geschossen hat.«
»Wir werden's ja sehen.« Das Gebäude hatte zwei Ausgänge zur Straße hin. Dies war der nördliche, und den nahmen sie sich zuerst vor.
Der Fahrstuhl war außer Betrieb, und auf der unteren Treppe standen einige erschrockene Mieter.
Der Anblick, den Gunvald Larsson in dem aufgeplatzten Kittel, mit dem blutigen Kopftuch und der Pistole in der Hand bot, war nicht dazu angetan, die Leute zu beruhigen. Kollbergs Dienstausweis steckte in seinem Jackett, und das lag im Hause auf der anderen Seite der Straße. Und wenn Gunvald Larsson irgendwelche Papiere bei sich hatte, so vermied er es jedenfalls sorgfältig, sie zu zeigen.
»Platz da«, sagte er streng.
»Bleiben Sie alle im Erdgeschoß«, wies Kollberg sie an.
Es war nicht leicht, drei Frauen, ein Kind und einen alten Mann zu beruhigen. Wahrscheinlich hatten alle mitangesehen, was draußen vor ihren Fenstern vorgefallen war.
»Keine Aufregung«, fuhr Kollberg fort. »Hier kann Ihnen nichts passieren.« Er überdachte diese Bemerkung und lächelte gequält.
»Die Polizei ist ja jetzt hier«, fügte Gunvald Larsson über die Schulter hinzu.
Der Fahrstuhl stand zwischen dem fünften und sechsten Stock. Im Stockwerk darüber war die Schiebetür offen, und sie konnten in den Schacht hinuntersehen. Der Fahrstuhl schien beschädigt zu sein. Irgend jemand hatte ihn absichtlich unbrauchbar gemacht. Dieser Jemand war mit großer Wahrscheinlichkeit der Mann auf dem Dach. Nun wußten sie also wieder etwas mehr über ihn. Er war ein guter Schütze, kannte sie beide von Ansehen und verstand etwas von Fahrstühlen.
Immerhin etwas, dachte Kollberg.
Eine Treppe höher stießen sie auf eine Eisentür. Sie war geschlossen und verriegelt und wahrscheinlich von der anderen Seite verbarrikadiert, wie, war nicht so schnell festzustellen. Dagegen konnten sie sich ohne Schwierigkeiten davon überzeugen, daß die Tür mit normalen Mitteln nicht zu öffnen war.
Gunvald Larsson zog die dichten blonden Augenbrauen zusammen.
»Hat keinen Zweck, dagegen zu donnern«, meinte Kollberg. »Wir schaffen's doch nicht.«
»Wir können die Tür von einer tiefergelegenen Wohnung aufbrechen, dann aus dem Fenster klettern und so versuchen raufzukommen.«
»Ohne Leitern und Seile?«
»Hast recht. Das geht nicht.« Gunvald Larsson dachte einige Minuten nach, dann fragte er: »Was willst du denn auch oben auf dem Dach anfangen, ohne Pistole?« Kollberg antwortete nicht.
»Im anderen Treppenhaus wird es natürlich das gleiche sein.« Damit hatte Gunvald Larsson durchaus recht, allerdings mit einer Ausnahme: ein geschäftiger älterer Herr, der behauptete, pensionierter Armeehauptmann zu sein, hielt die wenigen Leute in diesem Teil des Hauses unter strenger Aufsicht.
»Ich werde die Zivilisten sicherheitshalber in den Keller schicken«, schnarrte er.
»Ausgezeichnet«, lobte Gunvald Larsson. »Das machen Sie nur, Herr Hauptmann.« Ansonsten alles wie gehabt. Verschlossene Eisentür, offene Fahrstuhltüren und zerstörter Fahrstuhlmechanismus. Möglichkeit weiterzukommen: gleich null.
Gunvald Larsson kratzte sich nachdenklich mit dem Pistolenlauf am Kinn.
Kollberg blickte nervös auf die Waffe. Schöne Pistole, geputzt und gut gepflegt, mit Griffflächen aus geriffeltem Walnußholz. Sie war gesichert. Ihm war bisher nie aufgefallen, daß zu Gunvald Larssons vielen schlechten Angewohnheiten auch eine Lust zu unnötigen Schießereien gehörte. Plötzlich fragte er:
»Hast du mal jemand erschossen?«
»Nein. Warum fragst du?«
»Weiß nicht.«
»Was machen wir jetzt?«
»Ich glaub, wir sollten machen, daß wir zum Odenplan kommen«, schlug Kollberg vor.
»Vielleicht.«
»Wir sind die einzigen, die einen Überblick haben. Wir wissen jedenfalls ungefähr, was passiert ist.« Man sah Gunvald Larsson an, daß ihm dieser Vorschlag nicht gefiel. Er riß sich ein Haar aus dem linken Nasenloch und betrachtete es eingehend.
»Ich möchte den Kerl vom Dach runter haben.«
»Aber wir kommen nicht rauf.«
»Das stimmt.« Sie gingen hinunter in das Erdgeschoß.
Gerade als sie im Begriff waren, das Haus zu verlassen, hörten sie vier Schüsse.
»Worauf schießt er jetzt?« wollte Kollberg wissen.
»Den Streifenwagen. Er
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