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Das Elbmonster (German Edition)

Das Elbmonster (German Edition)

Titel: Das Elbmonster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerner, Károly
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Auch das hat eine spezielle Bewandtnis.
     
    Inzwischen warf er mit jedem seiner zwölf bunten, sichelförmigen Geräte genau elfmal nach den drei Ballons. Da ihre Flugbahn ausnahmslos wunschgemäß verlief, steckt er sie jetzt zufrieden in den arg lädierten Rucksack, schließt hernach die Augen, greift wieder hinein, entnimmt blindlings drei davon und legt sie erneut neben sich auf den Boden. Das ist fraglos eine willkürliche Auswahl, die er jedoch bewusst vollzieht. Nun öffnet er wieder die Sehorgane, erfasst den ersten Bumerang mit seiner rechten Hand, streckt den Arm weit nach hinten und holt den nötigen Schwung, um das Wurfholz gezielt nach dem mittleren Luftkopf zu schleudern. Den trifft er natürlich auch ganz exakt, und zwar so stark, dass er augenblicklich in lauter kleine Fetzen zerplatzt. Wer könnte auch ernsthaft daran zweifeln?
    Gleiches wiederholt sich ebenso präzise mit Blick auf die beiden anderen Ballons. Danach ergreift Abel erneut seinen zerschundenen Ledertornister, eilt unverzüglich zu den Metallstäben, sucht kurz nach den umherliegenden drei Bumerangen, packt die Utensilien zusammen, verneigt sich in alle Himmelsrichtungen, dankt zum Abschied ehrfürchtig seiner Göttin Freyja und geht schließlich flotten Schrittes nach Hause.
     
    Dieses merkwürdige Zeremoniell verlief während der Anfangsjahre ein wenig anders. Damals hatte Abel nur jeweils einen Luftballon, auf den er unmittelbar vor Abschluss seiner makabren Übung direkt zielte, um ihn zu vernichten. Außerdem benutzte er eigens dafür stets denselben Bumerang, welchen er Judas nannte. Es war das schwarz gefärbte Wurfholz, zu dem der Akteur stereotyp folgende Sätze sprach, bevor es durch ihn seiner hinterhältigen Bestimmung folgte: „Vollziehe sogleich dein schändliches Werk! Wehe dir, du enttäuscht mich! Dann gnade dir Gott!“ Und siehe da, falls der tödliche Auftrag einmal nicht erfüllt wurde, gab es kein Erbarmen, denn Abel verbrannte ohne das geringste Mitleid zu Hause den Bumerang. Bald darauf schuf er allerdings einen Nachfolger, welchem das gleiche Schicksal drohte.
     
    Apropos Beseeltheit: Bei einem derartigen Verhalten unseres dubiosen Herrn gewinnt man zwangsläufig den Eindruck, dass er selbst in den toten Gegenständen eine gewisse Lebenskraft wähnt. Wie sonst wären seine befremdlichen Äußerungen gegenüber den Wurfhölzern zu erklären oder der vermeintliche Dialog mit seiner Liebesgöttin Freyja? Das ist jedoch nur eine vage Vermutung, denn Genaueres weiß man nicht. Und der berühmte faustische Drang, sämtliche Dinge, Prozesse und Erscheinungen unbedingt bis ins kleinste Detail erforschen zu wollen, dürfte sowieso nicht immer der beste Ratgeber sein, weil man erfahrungsgemäß ohne solche Neigungen den Alltag meist gesünder, ausgeglichener und fröhlicher gestalten kann. Damit soll aber nicht etwa dem oberflächlichen Herangehen an die Wirklichkeit das Wort gesprochen werden, was ja letztlich den reinsten Dilettantismus zur Folge hätte.
     
    Hinsichtlich seines ausgefallenen Rituals meinte unser rätselhafter Begleiter nach einer gewissen Zeit, so wie einst nach der biblischen Legende innerhalb der zwölf Apostel, die Jesus als Sendboten des Evangeliums berufen hatte, könne ja auch im gegenwärtigen Leben buchstäblich jeder ein Verräter sein. Dort war es bekanntlich Judas Ischariot, der für dreißig Silberlinge durch einen abtrünnigen Kuss den Heiland preisgab.
     
    Mithin änderte Abel seine Vorgehensweise und verfuhr bezüglich der erwähnten rituellen Handlungen fortan so, wie oben beschrieben. Dazu kommt noch eine weitere Besonderheit, die ich meiner verehrten Leserschaft keineswegs vorenthalten möchte.
    Zwei Bumerange trägt nämlich unser mysteriöser Bruder fast immer bei sich, sobald er die Wohnung verlässt, egal, wohin er
    Aber warum tut er das? Hat er einen speziellen geht und wie lange er zu bleiben glaubt.
    Grund dafür? Wir haben doch schon viel früher erfahren, dass keiner von den anscheinend absichtlich hingerichteten Männern vor oder während seines bestialischen Exitus irgendeiner äußeren Gewaltanwendung ausgesetzt war. Das ergaben sämtliche Recherchen und vor allem die Obduktionen, welche von den einschlägigen Fachleuten zwar überwiegend in großer Eile und dennoch höchst gewissenhaft durchgeführt worden sind. Zugegeben, angesichts der körperlichen Verletzungen bei den meisten Opfern, die vereinzelt fast bis zur Unkenntlichkeit reichten, war nicht jede Aussage

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