Das Elbmonster (German Edition)
Held ganz bestimmt einen vorderen Platz belegen, wenn nicht gar auf dem obersten Treppchen stehen, denn es ist geradezu atemberaubend, was er diesbezüglich kann und immer wieder vollbringt.
Jetzt müssen wir besonders gut aufpassen, damit uns nichts von seinem wundersamen Tun entgeht!
Wir erinnern uns: Er hatte drei Luftballons auf ungefähre Kopfgröße eines erwachsenen Menschen aufgeblasen und an Metallstäben befestigt, die er in etwa fünfzig Meter Entfernung von den Bumerangen in den Boden stach.
Achtung, es geht los (freilich nur für uns, denn Abel ist ja längst mittendrin)!
Er nimmt zum wiederholten Male ein Wurfholz und schleudert es mit unerhörtem Geschick so in Richtung der Ballons, dass es genau zwischen ihnen durchfliegt und bald darauf zu seinem Ausgangspunkt zurückkehrt. Hier fällt es nicht zur Erde, sondern wird vom Akteur behände aufgefangen. Es wechselt blitzschnell in dessen andere Hand und zieht erneut seine kreisförmige Bahn. Das passiert insgesamt elfmal hintereinander mit jedem Bumerang.
Doch bisweilen unterbricht Abel sichtlich abrupt den zeremoniellen Handlungsablauf und legt eine Pause von meist unterschiedlicher Länge ein, welche er ebenfalls auf recht merkwürdige Weise nutzt. Entweder er springt, wie ein junges Reh fröhlich umher oder schleicht wie eine gefährliche Raubkatze durch die Gegend. Manchmal tänzelt er auch überraschend leichtfüßig über den Boden, gleichsam, als hielte er ein überaus betörendes Geschöpf von weiblicher Anmut vergnüglich in seinen Armen, mit dem er sich während des bezaubernden Reigens glücklich vereint und hernach im Paradies der Gefühle wähnt. Dabei gerät er mitunter sogar in einen schier unbändigen Sinnesrausch.
Vielleicht erscheint vor seinem geistigen Auge die von ihm selbst zum Idealbild erkorene Liebesgöttin Freyja, deren entwaffnende Schönheit ihn grenzenlos fasziniert und für bestimmte Momente alles Irdische vergessen lässt. Sein wirkliches Geheimnis bleibt uns wohl für immer verborgen, denn wer vermag schon in die echte Gedanken- uns Seelenwelt des anderen so tief einzudringen, dass absolut untrügerische Aussagen darüber getroffen werden könnten? Sicher, einige maßen sich das an, vornweg selbstgefällige Psychoanalytiker. Wir hingegen sollten unserer Fantasie weiterhin freien Lauf gewähren!
Abel weiß nicht, dass wir ihn jetzt heimlich beobachten, zumal sich während der vielen Jahre hinweg insgesamt nur fünf Personen in das Areal verirrten, wo er sein exzentrisches Training absolviert. In den besagten Ausnahmefällen raffte er auch sofort seine Utensilien zusammen und machte sich eilends von dannen. Insofern war ich bisher tatsächlich der Einzige, der überhaupt jemals an seinen wundersamen rituellen Handlungen teilnehmen durfte, wenngleich auch nur äußerst selten. Es wäre für mich sowieso vollkommen sinnlos gewesen, mich konstant in das eigentümliche Spiel einzufügen, weil bereits die anfänglichen Bemühungen deutlich zeigten, dass ich im Vergleich zu seinem meisterlichen Können wurftechnisch allenfalls ein denkbar schlechter Lehrling bleiben musste. Mehr war bei meinen tölpelhaften Versuchen einfach nicht drin, obwohl ich ansonsten sportlich keineswegs eine Niete bin.
So kam es denn, dass ich ihm beizeiten schwören musste, über seine absonderliche Freizeitbeschäftigung unbedingt Stillschweigen zu bewahren.
Das Gelübde auch tatsächlich konsequent einzuhalten, fiel mir nicht schwer. Etwas verwundert war ich allerdings, als er dieselbe Forderung unmittelbar nach dem gewaltsamen Tod seiner Frau mir gegenüber erneuerte und noch kategorischer darauf bestand, ich solle unter keinen Umständen irgendjemandem sein Hobby preisgeben.
Was mag er damit bezweckt haben?
Doch ehe wir uns hierauf durch allzu intensives Grübeln womöglich schon bald in einem düsteren Labyrinth befinden, schauen wir lieber nochmals gemeinsam zur besagten Brache auf dem Meißner Fürstenberg, um weiter zu verfolgen, was Abel dort treibt!
Er beendet soeben mit sichtlich anormalen Verrenkungen die vierte Wurfpause und geht hurtig ein paar Schritte bis zum Ausgangspunkt, wo seine Bumerange liegen. Diese erscheinen uns beinahe winzig, dürften wohl auch weltweit zu den kleinsten ihrer Art zählen. Obgleich jeder eine andere Form hat, was ein Laie indessen nur nach längerem Hinsehen bemerken würde, für Abel hingegen selbstverständlich ist, versah er sie zusätzlich noch mit unterschiedlichen Farben.
Weitere Kostenlose Bücher