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Das Elbmonster (German Edition)

Das Elbmonster (German Edition)

Titel: Das Elbmonster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerner, Károly
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bereits widerlegt. Auch wenn wir gewissermaßen nichts zu lachen hatten, war es uns trotzt allem oftmals ein Herzensbedürfnis, es zu tun, mithin wesenseigen. Außerdem streichelten uns die Eltern wiederholt mit einem anerkennenden Blick oder durch ihr aufmunterndes Lächeln, selbst wenn sie die unaufhörlichen Sorgen um das tägliche Brot manchmal fast erdrückten. Die Tugend, mit dem auszukommen, was man hat, und mag es noch so bescheiden sein, fühlt sich offenbar in den Hütten heimischer als in manchen Palästen.
    Darüber hinaus konnten wir uns verschiedentlich auch an den jeweiligen Gegebenheiten der äußeren Natur sehr erfreuen, an der Pflanzen- und Tierwelt ebenso wie an Sonne, Mond und Sternen. Schon das fortwährende Spiel der bunten Schmetterlinge, ihr harmonischer Reigen im Lichterglanz, das ständige Umwerben, Foppen und Lieben, ist doch allenthalben eine überaus faszinierende Darbietung. Oder bewusst wahrzunehmen, wie sich zum Beispiel die Knospen bestimmter Blumen von einem Tag zum anderen entfalten, um ihre ganze Pracht zu offenbaren, wirkt sicher gleichermaßen bezaubernd auf unsere Sinne. All das und vieles mehr nahmen wir häufig und gerne in Augenschein, beobachteten es manchmal stundenlang und zehrten lange von den teils verblüffenden Eindrücken.
     
    Wir lebten in einem winzigen Dorf namens Kispuszta (Kleine Puszta) mit insgesamt sechzehn datschenähnlichen Gebäuden, die lediglich aus Holz, Lehm und Stroh errichtet worden sind. Andere Baumaterialien standen uns nicht zur Verfügung. Die Bewohner schufen ihre Katen selbst, wobei sich die Nachbarn gegenseitig halfen. In der spärlichen Siedlung, welche sich obendrein noch auf drei Täler verteilte, wohnten ungefähr achtzig bis neunzig Leute, die sich hauptsächlich von landwirtschaftlichen Produkten aus eigenem Anbau oder teils auch als Wilderer ernährten. Dies war freilich strengstens untersagt, und wehe dem, der sich dabei erwischen ließ, aber man musste sich bei größter Hungersnot, besonders während der Winterzeit, ja irgendwie helfen, selbst mit Wissen um die Gefahr, schlimmstenfalls im Gefängnis zu landen.
    Jenes merkwürdige Dörflein, in dem ich meine Kinderjahre verbrachte, befand sich im Süden Ungarns, unweit der Grenze zum ehemaligen Königreich Jugoslawien. Mittlerweile ist es längst geschleift worden, dem Erdboden gleichgemacht, wohl für immer liquidiert. Weg, aus und vorbei! Nur die Erinnerung stirbt nicht.
    Der einschlägige Landstrich wurde übrigens auch als „Schwäbische Türkei“ bezeichnet, was unter anderem daran erinnert, dass er einstmals zum Osmanischen Reich gehörte.
    Die nächste Gemeinde mit beträchtlich mehr Einwohnern (Abels Wohnsitz!) lag etwa sechs Kilometer von unserer Niederlassung entfernt. Dort wurden zuweilen Entscheidungen gefällt, die auch unsere Angelegenheiten betrafen. Dennoch wusste man meistens kaum etwas voneinander.
    Wir vegetierten ziemlich isoliert, aber sehr naturverbunden. Unsere Notdurft verrichteten wir fast immer im Freien, je nach Drang irgendwo auf heimatlichem Boden stehend oder kauernd, meist jedoch auf dem Misthaufen, welcher sich in der Nähe der kleinen Stallungen befand. Als „Toilettenpapier“ benutzten wir Gras, Heu, Blätter oder sonstig geeignete Materialien. Etwas davon war immer da.
    Nur während der frostklirrenden und schneegekrönten Monate konnte es recht unangenehm werden. Da trieb es uns doch eher in ein kleines Holzhäuschen, welches unser Vater speziell für solche Zwecke gezimmert hatte. Ansonsten waren wir auch in dieser Hinsicht mehr der Natur zugetan, zumal das stille Örtchen ohnehin meist den Familienmitgliedern weiblichen Geschlechts vorbehalten blieb.
    Vielleicht verbarg sich hinter einer solch scheinbaren Nebensächlichkeit noch so etwas wie ein kleines Überbleibsel aus dem früheren Matriarchat, und zwar im besten Sinne des Wortes, indem man die Frau als Hauptträgerin des Lebens besonders fürsorglich verehrte und beschützte. Unsere Mutter, so klein sie auch war, erfuhr jedenfalls innerhalb der Familie überwiegend eine hohe Wertschätzung, was ich für sehr aufschlussreich halte.
    Den Küchenherd, die alleinige Koch- und Heizstelle, fütterten wir ausnahmslos mit Holz, das hauptsächlich wir Kinder aus den anliegenden Wäldern beschaffen mussten, indem wir es suchen, auflesen und heimbringen sollten. Doch manchmal gingen wir dabei auch ziemlich kühn zu Werke, obwohl es streng verboten war, Sträucher und Bäume zu fällen. Aber wir

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