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Das Elbmonster (German Edition)

Das Elbmonster (German Edition)

Titel: Das Elbmonster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerner, Károly
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hatten Glück und freuten uns jedes Mal wie kleine Schneekönige darüber, nicht erwischt worden zu sein.
    Den staatlichen und privaten Forstbeständen schadeten unsere eigenmächtigen Aktionen mit Beil und Säge keineswegs, im Gegenteil, sie wurden dadurch gut ausgelichtet und konnten sich noch üppiger entfalten. Es entsprach ja auch keiner echten Freveltat. Ein gewisses Angstgefühl war trotzdem unser ständiger Begleiter, und das nicht zu Unrecht, wussten wir doch von den möglichen Folgen, die mitunter sehr brutal sein konnten, wie es uns vom Hörensagen hinreichend vertraut war.
    Das einzige Verkehrsmittel, dessen wir uns bedienen konnten und auch mussten, um zu überleben, waren unsere Füße. Nur ein paar Dörfler, denen es materiell etwas besser ging, besaßen schon einen Ochsenkarren oder vereinzelt sogar einen Pferdewagen.
    Bei sehr dringendem Bedarf halfen sie uns allerdings mit ihren Fuhrwerken und Zugtieren.
    Gelegentlich durften wir auch zu den traditionellen Wochenmärkten mitfahren, wo wir unter anderem Salz, Zucker oder auch das nötige Schuhwerk für den oftmals grausamen Winter erwarben (während der Sommerzeit liefen wir selbstverständlich barfuß). Sobald wir die beliebten Handelsorte nur per pedes besuchten konnten, was hin und wieder vorkam, war dafür meist ein ganzer Tag einzuplanen.
    Unsere lebenden Habseligkeiten beschränkten sich jedenfalls auf einige Schafe und Ziegen sowie Hühner und höchstens zwei Schweine. Ach ja, zwei Katzen hatten wir auch. Doch von wegen „Whiskas kaufen“! Wenn es gegenwärtig hierzulande und auch anderswo riesige Unternehmungen für die Herstellung und den Vertrieb von Tierfutter gibt und sie daraus auch noch gewaltigen Profit schlagen, so ist das zweifelsfrei Ausdruck eines relativ hohen Lebensstandards der jeweiligen Bevölkerungskreise, was sich durchaus positiv werten lässt. Unsere Dachhasen hingegen waren nicht als liebliche Schmusemiezen in der Art gefälliger Stubentiger gehalten und verwöhnt worden, sondern allein wegen ihrer einstmals natürlichen Bestimmung, nämlich Mäuse und sonstige Schädlinge zu fangen. Und das machten sie auch emsig, denn sie existierten davon, wenngleich bei Weitem nicht immer wie die Made im Speck. Im Vergleich dazu haben unzählige Samtpfoten derzeit das reinste Paradies, besonders hier in Deutschland. Es ist ihnen zu gönnen.
    Im Übrigen kann ich mich gar nicht daran erinnern, dass auch nur eine der Katzen sich jemals in unserer Wohnung aufgehalten hätte. Sie waren immer draußen und bekamen hin und wieder einen kleinen Happen, damit sie uns die Treue hielten.
    Außerdem besaßen wir auch noch einen Wachhund. Es gab ja genügend Landstreicher, vorwiegend umherziehende Zigeunergruppen, die aufs Stehlen erpicht waren, da sie mit den üblichen Arbeitspflichten zum Zwecke des ehrbaren Broterwerbs wenig oder gar nichts im Sinne hatten (ich weiß, dass die Bezeichnung Zigeuner heute ein Schimpfwort ist, aber die Be- griffe Sinti und Roma waren uns seinerzeit unbekannt, und wir hätten sie wahrscheinlich auch nicht benutzt).
    Für schuldlos Not leidende und daher wirklich hilfsbedürftige Bettler, die sich bisweilen auch zu uns verirrten, hatten meine Eltern und auch die anderen Dorfbewohner indessen stets etwas übrig. Sobald sich jedoch besonders hartnäckige Eindringlinge allzu verwegen zeigten, ging es oftmals gnadenlos zur Sache. Da waren sich alle Siedler spontan einig, indem sie entschlossen zu den „Waffen“ griffen, die sich gerade in ihrer Nähe befanden.
    Dass es nach derart heißen Gefechten auch Verletzte gab, dürfte kaum jemanden verwundern. Tote waren allerdings nicht zu beklagen. Eine solche Schreckensnachricht erreichte uns erst gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, als die „Russen“ kamen (diese Vokabel verwenden wir doch ebenso oft unpräzise wie zum Beispiel „Amerikaner“, obwohl die ehemalige Sowjetunion in Wirklichkeit über hundert Nationen und ethnische Minderheiten umfasste; mit der Sprache nimmt man es eben mitunter nicht so genau).
    Im übernächsten Dorf hatte man drei uniformierte Männer mit mongolidem Aussehen während eines Saufgelages absichtlich überrascht, kurzerhand erschlagen und in einer nahe befindlichen Jauchengrube versenkt, weil sie ein Mädchen abscheulich missbrauchten, indem sie es hintereinander vergewaltigten und damit furchtbar schändeten.
    Das gleiche Verbrechen widerfuhr übrigens wenige Tage vorher auch meiner Schwester im Alter von siebzehn Jahren. Aber wir

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