Das Elbmonster (German Edition)
Gewalt umschlägt, muss man eben beizeiten gegensteuern. Das ist eine alte Weisheit. Sie wird jetzt nicht anders gehandhabt als früher und dürfte wohl auch künftig so oder ähnlich praktiziert werden. Anders lässt sich das goldene Zepter nicht führen. Letztlich ist auch der Kirchenstaat bevorzugt auf Macht und Geld erpicht.
Darüber vermögen selbst die mitunter geisterhaft anmutenden Rituale nicht hinwegzutäuschen, jene traditionell pompösen Feierlichkeiten, denen sich einschlägige Zeremonienmeister mit erstaunlicher Hingabe widmen, um die Öffentlichkeit nachhaltig zu beeindrucken.
Wenn jedoch namentlich katholische Christen an derart kultischen Bräuchen immer noch Gefallen finden, sollte man das achten, denn niemand ist befugt, die längst zur Tradition verfestigten Gewohnheiten der Menschen infrage zu stellen oder gar zu bekämpfen, vorausgesetzt, dass sie keinem schaden. Respektvoller Umgang miteinander heißt, dass man jedem die Freiheit lässt, eine abweichende oder selbst gegensätzliche Meinung zu haben und nicht darauf beharrt, die eigene Überzeugung wäre die einzig richtige. Ich freue mich jedenfalls über sachliche Widersprüche, die mich zum Nachdenken anregen. Das verstehe ich unter schöpferischen Disputen.
Übrigens: Auch wer sich nur flüchtig mit der Geschichte des Papsttums befasst, wird zuweilen mit gewissem Erstaunen bemerken, welch extravagante Ansichten einige Oberhäupter der betreffenden Kirche vertraten und nach ihrem Verständnis „zur Huldigung des Allmächtigen“ auch durchsetzten. So ist zum Beispiel überliefert, dass im Jahre 1857 der amtierende Spiritus Rector des Vatikans, Pius IX., sich persönlich mit Hammer und Meißel bewaffnete, um die maskulinen Skulpturen in der geweihten Stätte zu entmannen, indem er ihnen die Geschlechtsteile abschlug, da sie ihm als nackte Statuen sexuell zu provokant erschienen und womöglich noch hinter den gesegneten Mauern unerwünschte Lust beförderten.
Das war zweifellos eine ungeheure Freveltat von einem religiösen Eiferer höchsten Ranges. Gleichsam, als müsste ein wutentbrannter Kunstbanause seinem hungrigen Affen reichlich Futter geben, demaskierte sich die erwähnte Sanctitas (Heiligkeit) mit ihrer beispiellosen Aktion selbst, denn sie folgte wohl eher einem sündhaften Auftrag des Teufels als dem Gebot des himmlischen Vaters. Die Titanen der italienischen Renaissance, hier namentlich Michelangelo, Bramante und Bernini, würden sich bestimmt heute noch im Grabe umdrehen, könnten sie erfahren, auf welch schändliche Art ihre grandiosen Werke von einem spießigen Machthaber verstümmelt worden sind (seither verhüllen Feigenblätter aus Gips die beschädigten Stellen).
Was doch verbohrter missionarischer Fanatismus so alles zu bewirken vermag! Sachkundige sprechen in diesem Falle von der „Großen Kastration“ (nicht zu verwechseln mit der äußerst brutalen Sterilisierung von Tausenden Knaben während der Barockzeit im Dienste ihrer potenziellen Förderung zu überaus brillanten Opernsängern mit einem geradezu phänomenalen Stimmumfang, was bezeichnenderweise Papst Clement VIII. auch „zur Ehre Gottes“ wertete, obwohl die Betroffenen ihrer Chance der eigenen Fortpflanzung beraubt wurden).
Apropos Eunuchen: Wissen Sie, meine verehrten Leser, warum Frauen sich im Allgemeinen einer höheren Lebenserwartung erfreuen dürfen als die Herren der Schöpfung? Koreanische Forscher wollen herausgefunden haben, dass der unstrittige Sachverhalt insbesondere durch das männliche Sexualhormon Testosteron verursacht wäre. Sie untersuchten Aufzeichnungen aus dem 16. bis zum 18. Jahrhundert und entdeckten, dass die Hodenlosen im Schnitt etwa vierzehn Jahre länger lebten als ihre unversehrten Artgenossen. Des Weiteren zeigte sich unter den Kastraten eine auffällige Häufung von über Hundertjährigen.
Die Ergebnisse passen offenbar zu der verbreiteten Annahme, dass männliche Geschlechtshormone das körperliche Abwehrsystem nachteilig beeinflussen, indem sie die Unempfindlichkeit für bestimmte Erreger mindern und sonach die Gesundheit schwächen.
Das wird folgendermaßen begründet: Wer sich fortpflanzen möchte, müsse naturgegeben für die Erzeugung von zugehörigem Drüsenstoff Energie opfern. Diese fehle dann für die Abwehr von Krankheiten oder die Reparatur von beschädigten Zellen. Bei der holden Weiblichkeit wäre das anders, und daher könnten Frauen das irdische Paradies länger genießen. Selbst wenn es dafür
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