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Das elektronische Glück

Titel: Das elektronische Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dieverse Autoren
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brauchen wir die eines realistischen Schriftstellers und eines Psychologen.«
     »Gut«, unterbrach ich den Erzähler, »alles verständlich. Aber woher ist Eroja, das Klümpchen wunderbarer Materie, gekommen?«
     »Die wurde von meinen Mitarbeitern, jungen, talentierten Kybernetikern, konstruiert. Larionow-Raurbef brauchte eine Stütze für seine Gefühle. Das Klümpchen Materie verband ihn mit der fernen Dilnea.«
     »Und wie steht es jetzt mit Larionow? Wird er gesund werden?« fragte ich.
     »Ja«, antwortete Iwanzew. »Der Versuch ist gelungen, und Nikolai Larionow wird dieser Tage aus der Laboratoriumsklinik ins Leben entlassen.«

Dmitri Bilenkin

    Was nicht war

    Das gelbe, spitz gewordene, schon nicht mehr menschliche Gesicht versank im Kissen. Der Körper unter der Decke war so schmal, daß es schien, als existiere der Kopf für sich allein. Es war nicht einmal ein Kopf: ein Mumienstrumpf, eine Wachsmaske, die Nachbildung eines Schädels – liederlich beklebt mit Strähnen fettiger Haare.
     »Satty Tovious; Suizidversuch durch zehn Pectalan. Alles Übliche versucht, Zustand hoffnungslos«, haspelte der Diensthabende Arzt herunter.
     Schweigend betrachtete der Professor das, was noch gestern Satty Tovious gewesen war – ein Mensch, ein Angestellter und Steuerzahler –, nun aber halbtot vor ihm lag. Alles verlief gesetzmäßig. Die Umwelt vollzog die Auslese nicht lebensfähiger Formen. Das hatte es vor Jahrmilliarden bei den Amöben und Algen gegeben, und es geschah auch jetzt. Ob natürliche oder soziale Umwelt, spielte keine Rolle – die Auslese funktionierte.
     »Völlig hoffnungslos?«
     Der Arzt nickte.
     »Na schön«, sagte der Professor, »legen wir uns an mit der Natur!«
     Der Arzt verstand nicht, doch vorsichtshalber lächelte er.
     »Irgendwas Neues?«
     »So etwa. Freude und Glück sind bekanntlich wirksamer als jede Medizin. Das Problem ist nur: Wie kann man jemand dazu bringen, Glück zu erleben, wenn er die Toten beneidet und selbst fast einer ist… Seine Angehörigen sind hier?«
     »Er hat keine.«
     »Freunde?«
     »Bis jetzt kam kein einziger Anruf.«
     Der Professor seufzte.
     »Ist das nicht paradox, mein Lieber… Der Mann wohnt im Zentrum einer Großstadt, geht täglich zur Arbeit, aber was ist er wirklich? Ein Robinson, ein sozialer Robinson, der die Hoffnung verloren hat, irgendwann am Horizont ein Segel zu erblicken… Lassen wir's, zum Teufel, mit der Gefühlsduselei. Wir erproben an ihm die bioelektrische Glücksmodellierung!«
     »Ein künstlicher Traum?«
     »Formal – ja. Aber er wird ihn als echt, als Wirklichkeit erleben. Wenn er sich danach nicht mit aller Kraft an die Welt klammert, so… nein, ich glaube an den Erfolg.«
     Der Professor erteilte telefonisch einige Anweisungen. Dann zog er seine Zigaretten hervor, zählte sie, schüttelte bekümmert den Kopf (noch lange nicht Mittag, doch die Schachtel schon halb leer) und begann zu rauchen. Auch ein ' Paradoxon, dachte er, ich bemühe mich, schädlichen Umwelteinfluß zu neutralisieren, aber was tu' ich? Pumpe meine Lungen voll Qualm, betreibe langsam Selbstmord.

    Satty Tovious schob die nachgebenden Kiefernzweige auseinander. In sein erhitztes Gesicht blies der Seewind, und wie ein Blitz traf sein Bewußtsein der saubere, weiße, leuchtende und endlose Strand.
     Ungläubig kniff er die Lider zusammen, wandte sich um zu Renata. Sie schaute aus weitgeöffneten Augen, und ihre dichten Haare flogen wie Flügel im Wind.
     Ihre Hände fanden sich.
     Bis zum Meer blieben etwa zwanzig Schritte. Sie gingen, hielten einander bei den Händen, und ringsum dehnte sich unendlich der blaßblaue Himmel, das flimmernde Meer, der einsame Strand. Vereinzelte Möwenschreie sanken in die menschenleere Stille.
     In Satty erwachte etwas längst Vergangenes, Vergessenes. Eine Schale schien sich von ihm zu lösen. Und in jeder Zelle seines Körpers empfand er den warmen Atem des Meeres.
     Kleine Wellen schmirgelten das ohnehin glatte, feste Ufer. Sie hinterließen zarte, vergängliche Spitzen aus Schaum, doch war in ihrem steten, beharrlichen Tun noch etwas Bezauberndes, dem bisher niemand einen Namen gegeben hatte und wovon es schwer war, den Blick zu wenden.
     Vielleicht zehn Minuten vergingen, vielleicht wesentlich mehr. Satty und Renata standen immer noch reglos. Dann warf er mit einer heftigen Bewegung den Rucksack von den Schultern, und sofort spürte er ungewohnte Leichtigkeit. Links endete der Strand in

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