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Das elektronische Glück

Titel: Das elektronische Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dieverse Autoren
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aber werde ich die Probe nicht länger bestehen, sondern mich erheben und sagen: »Sie irren sich, lieber Professor. Das denkende Geschöpf auf anderen Planeten muß keineswegs aussehen wie ein morphologisches Monstrum.«
     »Und welche Beweise haben Sie dafür, junger Mann?« wird der Lektor mit einem spöttischen Lächeln fragen.
     »Welche Beweise? Nun, zum Beispiel mich selbst. Ich hoffe, Sie sprechen mir Vernunft nicht ab? Ich bin nicht auf der Erde geboren.«
     Nein, ungeachtet meines mehr als soliden Alters und meiner beneidenswerten Erfahrung ist viel jugendliche Eitelkeit in mir. Treibt sie mich etwa zu dieser Lektion?
     Der Saal ist zum Bersten voll. Mit großer Mühe gelingt es mir, einen freien Platz zu finden. Links von mir sitzt ein Alter von etwa achtzig Jahren, rechts eine Studentin. Der Alte streicht seinen flaumigen, schneeweißen Bart und schaut mich herablassend an. Ich denke so bei mir: Ach, Großvater, du bist um einige hundert Jahre jünger als ich, sei nicht so stolz auf deinen patriarchalischen Bart.
     Aus den Augen der Studentin spricht der ungeduldige Wunsch, in das Unbekannte einzudringen.
     Der Lektor steht schon auf dem Podium. Er hat ein kluges, aber kein gutes Gesicht, eher das Gesicht eines Schauspielers als das eines Gelehrten. Er trägt den besonderen, eigentlich nur Schauspielern eigenen Ausdruck der Wichtigkeit und Selbstsicherheit zur Schau, den ich oftmals auf der Erde und auch zu Hause auf der Dilnea beobachtet habe. Er spricht mit Eleganz und beherrscht spielend die Diktion und die Kraft seiner ungezwungenen Stimme. In ihr aber und in der Art, wie er die Worte ausspricht, ist die Nuance einer gewissen Trägheit und verdeckten Müdigkeit zu spüren, als ob ihn der Kosmos und das Problem des Lebens auf anderen Planeten (womit er längst auf du und du steht) etwas langweilten, wie den Schauspieler das fremde Leben langweilt, das er zum hundertsten oder tausendsten Male auf der gleichen Bühne darstellt.
     Er spricht über Biopolymere und darüber, daß das Weltall zu Wiederholungen neigt, schon deshalb, weil es so viel Zeit und Raum zur Verfügung hat. Diese Bemerkung zeugt davon, daß er sich und seinen Zuhörern nicht mit naivem Enthusiasmus einheizen, sondern ihnen zu verstehen geben will, daß es derjenige, der sich für das Problem wirklich interessiert, mit der monotonen Unendlichkeit zu tun hat. Das Wort »Unendlichkeit« spricht er so elegant und leichthin aus, als wolle er durch die Modulation und Intonation seiner Stimme seinen etwas unheimlichen Sinn verändern, ihn harmloser und annehmbarer machen. Das macht nicht nur auf den achtzigjährigen Alten und die Studentin einen starken Eindruck, sondern, ich verhehle es nicht, sogar auf mich, der ich von der Unendlichkeit eine viel konkretere Vorstellung habe als der Lektor.
     Da ist nichts dran auszusetzen, er kann was, denke ich. Dennoch weißt du über vernunftbegabte Wesen anderer Planeten nur wenig mehr als dieser vertrauensselige Alte, mein Lieber!
     Aber im nächsten Augenblick werde ich für diesen nicht allzu ehrerbietigen Gedanken bestraft, bestraft wie ein dummer Junge. Der Lektor spricht wie nebenbei ein seltsames, unendlich bekanntes, hier auf der Erde aber ganz unmögliches Wort aus. Leise, fast flüsternd formt seine Stimme: »Dilnea…«
     Plötzlich wird mir heiß, als gehe das alles nicht wirklich vor sich, sondern als träumte ich. Dieses Wort kann er nicht ausgesprochen haben. Außer mir und dem Stückchen formloser Materie, das in diesem Etui steckt, weiß niemand auf der Erde von der Existenz der Dilnea. Offenbar habe ich geträumt.
     Ich neige mich zu der Studentin hinüber und frage sie: »Hat er von der Dilnea gesprochen?«
     Sie runzelt die Stirn. »Stören Sie mich nicht beim Zuhören.«
     »Verzeihen Sie… Hat er davon gesprochen oder nicht?«
     »Wovon?«
     »Von dem Planeten Dilnea?«
     »Nein.«
     Da wende ich mich an den Alten. Er hört schlecht. Ich schreie ihm fast in sein mit grauem Flaum zugewachsenes Ohr: »Hat er von der Dilnea gesprochen?«
     »Ja«, antwortet der Alte und lächelt.
     Wohl doch nicht! denke ich. Die Studentin wird recht haben, er hat nicht davon gesprochen.
     Der Lektor spielt mit seiner Stimme und bringt die Rede von neuem auf Polymere, Nukleinsäuren und jenes chemische »Gedächtnis«, das der Organisation aller Lebewesen zugrunde liegt.
     Er hat nicht nur die Stimme, sondern auch die Hände eines Schauspielers. Er hält ein Stück Kreide

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