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Das elektronische Glück

Titel: Das elektronische Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dieverse Autoren
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möglich.
     »Fährst du mit zum Fischen?« fragte mich Sergej. »Wir haben noch einen Platz frei. Ich fahre gar nicht erst nach Hause. Anton kommt auch mit. Bist du dabei?«
     »Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Und du solltest auch nicht fahren. Nina hat heute Geburtstag. Ihren einunddreißigsten.«
     »Ach, Unsinn. Ob der achtzehnte oder der einunddreißigste…«
     »Sie würde sich freuen, wenn du dran denkst.«
     »Du kommst also nicht mit?«
     »Nein. Überhaupt muß ich dir sagen, daß ich ihr zum Geburtstag gratulieren möchte. Und ihr Blumen schenken.«
     »Wenn du wüßtest, wie die Fische im See jetzt beißen«, meinte Sergej seufzend.
     Dabei legten Anton und er immer Netze aus. Warum sprach er vom Beißen? Das war doch Blödsinn.
     »Sergej, ich fahre zu ihr.«
     »Unfug. Wo das Fischen jetzt solchen Spaß macht.«
     Ich war davon überzeugt, daß das Fischen ihn nach dem, was ich ihm gesagt hatte, nicht mehr sonderlich interessierte. Er wollte sich nur nicht untreu werden.
     Der Arbeitstag ging zu Ende. Sergej, Anton und Karminski fuhren zum See. Inga kam zu mir und starrte mich schweigend an.
     »Bestell Marina«, bat ich sie, »daß ich nicht nach Hause komme. Ich kann nicht.«
     »Das verstehe ich«, sagte sie…
     Ich fuhr zum Blumengeschäft und kaufte für das ganze Geld, das ich bei mir hatte, Gladiolen. Dann setzte ich mich in den Bus und fuhr in einen Vorort von Ust-Mansk. Dorthin, wo Nina wohnte.
     Ich mußte sie einfach sehen.
     Ich fuhr ziemlich früh aus der Stadt, der Bus war nicht voll, und es gelang mir, die Blumen heil ans Ziel zu bringen. Sie waren für mich heute kostbarer als alles auf der Welt.
     Ihr Haus war das zweite hinter der Haltestelle. Ich stieg in den dritten Stock hinauf, läutete, und sie öffnete mir.
     Im ersten Augenblick drückten ihre Augen Erstaunen aus. Ein Erstaunen, daß ich mehr als alles andere an ihr liebte. Dann fragte sie mechanisch: »Und wo ist Sergej?«
     »Zum Fischen gefahren.«
     Sie erlosch gleichsam. Ich reichte ihr den Strauß, den ich bis dahin vergeblich hinter meinem Rücken zu verbergen gesucht hatte.
     »Für dich, Nina! Ich gratuliere zum Geburtstag!«
     »Danke«, sagte sie. »Komm 'rein.«
     Ich ging ins Zimmer. Ihre Tochter, Nataschenka, spielte auf dem Fußboden mit Puppen. Sie war vier Jahre alt.
     Nina ging auf der Stelle, als wäre ich überhaupt nicht vorhanden, in die Küche. Ich führte ein Gespräch mit Nataschenka, das im wesentlichen aus Fragen bestand: »Was willst du hier? Wer bist du? Ist Papa noch nicht da? Tanja ist der Kopf abgefallen…«
     Ich setzte mich direkt auf den Fußboden. Es spielt sich nicht gut mit Kindern, wenn man auf einem Stuhl oder einer Couch sitzt. Fünf, zehn Minuten vergingen. Nina kam nicht aus der Küche. Nataschenka und ich spielten mit Puppen.
     »Nina«, sagte ich leise. »Hörst du mich?«
     Sie antwortete mir, obwohl ich davon überzeugt war, daß sie den Mund nicht öffnete: »Natürlich höre ich dich. Aber komm nicht in die Küche.«
     Sie weinte. Lautlos. Stumm. Die schrecklichsten Tränen. Ich blieb auf dem Fußboden sitzen.
     »Nina«, sagte ich. Aber sie konnte mich nicht hören. »Was soll ich tun? Ich liebe dich. Es ist nun mal so gekommen. Ich liebe die Frau eines meiner Freunde. Nina. Kannst du das verstehen?«
     »Ja, das kann ich.« Sie antwortete mir nicht laut, aber ich hörte sie.
     »Was soll ich nur tun?«
    »Ich weiß nicht…«
    »Nur du kannst mir sagen, was ich tun soll.«
     »Weißt du es denn nicht? Hängt dein Verhalten von meiner Antwort ab?«
     Ich rückte eine Puppe in der Schlange weiter, kaufte Äpfel und bezahlte sie mit kleinen Papierschnipseln. Nataschenka war hellauf begeistert.
     »Sei ein Mann!«
     »Heißt das ›Geh!‹?«
     »Ich weiß nicht. Ich weiß überhaupt nichts.«
     Sie kam aus der Küche. In einer Wachstuchschürze, mit vom Saft roter Rüben gefärbten Händen und völlig ruhig.
     »Sei glücklich, Nina.«
     »Danke, Sascha. Ich werd' mir Mühe geben…«

    5

    Stundenlang saß ich am Straßenrand unter einem Baum. Allmählich wurde es dunkel. Aus einem Fenster im dritten Stock auf der anderen Straßenseite tönte Musik, aber niemand tanzte. Wer sollte auch? Waren dort doch nur Frauen versammelt. Ab und zu trat eine von ihnen auf den Balkon, aber niemals war es Nina. Die Hausfrau hatte keine Zeit dazu. In die Küche, ins Zimmer, etwas aufwärmen, etwas kalt stellen, abwaschen, einen Augenblick bei den

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