Das elektronische Glück
blöde Haube ab. Im Plan steht, daß man das Experiment durchführen muß. Seine Ergebnisse aber lassen sich nicht planen. Mag das Ergebnis doch beim ersten Mal negativ sein.«
»Das lasse ich nicht zu!« schrie Karminski und schnipste mit den Kippschaltern am Pult. Ich riß mir den Helm so hastig herunter, daß ich mit dem Kopf gegen die Wand stieß. Mir wurde schwarz vor Augen.
»Na, ausgezeichnet.« Karminski freute sich plötzlich über irgend etwas. Etwa darüber, daß ich mich gestoßen hatte? Das tat doch weh. Was gab's da zu freuen?
Ich schleuderte den Helm auf den Fußboden, öffnete die Tür der Testkammer und trat ins Licht.
»Jungs!« sagte ich, obwohl unter meinen Kollegen auch viele Frauen waren. »Jungs, ich kann nicht mehr. Auf so was muß man sich anders vorbereiten. Ihr müßt schon entschuldigen.«
Ich spürte, daß ihnen nicht wohl in ihrer Haut war. Schließlich hatten sie meine Seele, mein verborgenstes Ich, umgekrempelt.
Sie alle wußten nicht recht, wie sie sich verhalten sollten. Nicht einmal Edik kam mir entgegen. Übrigens nahm ich sie auch nur wie im Nebel währ.
»Gut, Alexander«, sagte Karminski. »Du bist für heute frei. Wir aber müssen noch die Ergebnisse des Experiments auswerten.«
4
Das Menü in der Institutskantine bestand aus kalter Kwaßsuppe, einem Stück Schmorfleisch und einem Glas Kompott. An der Essenausgabe war es stickig, und die Töpfe und Kessel strömten Hitze und den Geruch einer raffinierten, scharfen Soße aus. Trotz aller Anstrengungen der Küchenkräfte war es sehr voll, und die Schlange schob sich nur langsam vorwärts.
Anton Semigailo, Edik Grosset, Sergej Iwanow und ich verließen die Essenausgabe mit unseren Tabletts in den Händen erst nach zwanzig Minuten. Anton hatte wie immer zwei Portionen vom Hauptgericht genommen. Er hätte auch drei verputzt, aber er genierte sich. Ich war schon immer der Meinung, daß man Menschen wie ihm eine Gehaltszulage geben müßte. Wir bekommen dasselbe Gehalt, er aber ißt mindestens doppelt soviel wie ich. Wo bleibt da die Gerechtigkeit?
Wir kauten konzentriert.
»Ach«, sagte Anton. »Man müßte als Revisor die Restaurants abklappern können wie in dem Film ›Gangster und Philanthropen ‹ !«
Jedesmal brachte er beim Mittagessen das Gespräch darauf, daß er nie satt wurde. Wir hörten schon gar nicht mehr hin, und doch fand sich immer jemand, der sich eine giftige Bemerkung nicht verkneifen konnte. Anton aber nahm so etwas nicht übel. Überhaupt gehörte er nicht zu den Leuten, die es übelnehmen, wenn man ihnen sagt, daß sie dumm und gefräßig sind. Er lächelte darin nur breit: Ist doch toll – dumm und stumpfsinnig und doch etwas erreicht! Er hat etwas erreicht! Das ist die Hauptsache. Wie er es erreicht hat, ist schon nebensächlich. Es ist doppelt angenehm, dumm und stumpfsinnig zu sein und doch etwas erreicht zu haben. Was? Na, beispielsweise den Posten eines leitenden Ingenieurs wie Anton Semigailo.
»Ha-ha-ha!« Das war gewöhnlich Antons Antwort. »Euer Humor hilft mir, Magensaft abzusondern. Und das ist angenehm!«
Wenn Magensaft abgesondert wird, ist das angenehm, und man fühlt sich glücklich. Das ist ein Gesetz. Semigailo beherrschte dieses Gesetz mit Perfektion.
»Hör zu, Anton«, sagte ich. »Flitz doch gleich mal in die Testkammer. In dem Fall wird das Experiment garantiert ein voller Erfolg.«
»Laßt gut sein«, erwiderte Anton. »Gutes Essen ist auch ohne Experimente schon das halbe Glück.«
Selbst Anton lügt mitunter. Denn für ihn ist gutes Essen das ganze Glück. Ich saß neben ihm und zog wie unbeabsichtigt an seinem Ärmel. Ich glaube, sein Handindikator zeigte neunzig Prozent. Ein außerordentlicher, pathologischer Fall! Noch zwei Portionen Fleisch, und der Indikator platzt.
Schließlich war das Mittagessen beendet. Wir verließen die Kantine, kauften uns am Kiosk Zeitungen und kehrten in unser Laboratorium zurück.
Karminski notierte die Ergebnisse des Experiments. Als er mich erblickte, fragte er: »Was war das zum Schluß für ein Aufflackern? Wer oder was war es? Erklär mir das bitte.«
»Ach, ihr könnt mich alle mal…«, erwiderte ich und ließ ihn sitzen.
Sie hockten da und werteten die Ergebnisse des Experiments aus. Schweigend. Die in solchen Fällen übliche Begeisterung fehlte. Für mich aber gab es nichts zu tun. Man genierte sich vor mir.
Am liebsten wäre ich gegangen, aber das war leider nicht
Weitere Kostenlose Bücher