Das elektronische Glück
mir durch, und ich malte mir aus, daß man eines Tages das Glück in reiner Form in Geschäften, an Kiosken und Blumenständen verkaufen würde.
Rosafarbenes, festes, unzerbrechliches, gediegenes Familienglück. Hellblaues Glück für Träumer, Sucher und nach dem Ungewöhnlichen Strebende. Das gelbe Glück der Unbesonnenheit, die weder Maß noch Grenzen kennt. Braunes, sättigendes, angenehm den Bauch füllendes Glück. Das rote Glück der Entschlossenheit, Kompromißlosigkeit, Geradlinigkeit und Ehrlichkeit. Graubraun-himbeerfarbenes Glück für lustige Geburtstagsgeschenke, das alles durcheinanderbringt, ein fröhliches, leichtes und schnell wieder vergessenes Glück. Dunkelblaues Glück, scharf pfeifend wie der Wind der Meere und der weiten Fahrten.
Oh! Wer könnte alle Farben und Schattierungen des Glücks aufzählen! Wer kennt sie? Mag sein, daß sie irgendwo in Listen und Kalkulationen mit genauer Preisangabe und Wirkungsfrist genannt werden. Mag sein. Dann aber umfaßt dieses Verzeichnis sicherlich Tausende von Seiten.
Nur schwarzes Glück wird es nicht geben. Im Prinzip ist auch dieses durchaus möglich. Das Glück der Lüge, der Gemeinheit, des Betrugs und der Verleumdung. Aber selbst wenn man eine solche Art des Glücks zu wissenschaftlichen Zwecken ausbrüten sollte, würde man das Geheimnis seiner Produktion wahrscheinlich weit, weit hinter sieben Siegeln verbergen. Vielleicht ist ein solches Glück doch nicht möglich? Schließlich bedeuten Lüge, Verleumdung und Gemeinheit ein ewiges Grauen. Wie kann von Glück die Rede sein, wo das Grauen herrscht? Selbst ein Schuft ist nur dann wirklich glücklich, wenn man ihn für einen edlen Menschen hält.
Ich malte mir aus, wie sich in den ersten Wochen und Monaten vor Geschäften und Verkaufsständen lange Schlangen bilden. Frauen in mittleren Jahren stürzen sich auf das rosafarbene Familienglück. Und das zu Recht. Gewisse Liebhaber geistiger Getränke kommen plötzlich zur Vernunft. Sonderlinge erstehen hellblaues Glück und werden noch wunderlicher, machen seltsame Entdeckungen, die oft an Heldentaten grenzen. Wenn die Leute zur Versammlung gehen, nehmen sie rote Tüten, kritisieren sich selbst und ihre Vorgesetzten gnadenlos und aufrichtig und verspüren dabei das gewaltige Glück, die Wahrheit zu sagen.
Anfangs geniert man sich natürlich, braunes, sättigendes Glück zu kaufen. Aber auch hier finden sich einfallsreiche Kantinen-, Café- und Restaurantleiter. Die braunen Tüten verkauft man direkt an der Essenausgabe, und wer eine davon erwirbt, empfindet bei einem faden, standardmäßigen Mittagessen oder Abendbrot ein deutliches Glück, wenn sein Magen sich füllt.
Die Gören legen, statt fünfzehn Kopeken für das Schulessen zu bezahlen, ihr Geld zusammen, kaufen sich dunkelblaues Glück und fühlen sich als Kapitäne auf weiter Fahrt, als Kosmonauten, kühne Entdeckungsreisende und Forscher. Die Leistungen an Schulen und Instituten steigen erheblich, besonders in Geographie, Physik und Geschichte.
Mit einem Wort, der Handel mit dem Glück hatte in meiner Vorstellung nur positive Folgen. Jeder Mensch würde es von nun an als seine Pflicht ansehen, einen Indikator bei sich zu tragen, stets sorgfältig auf seinen Glückspegel zu achten und nicht zuzulassen, daß er unter eine bestimmte Grenze fiel. Neue Wissenschaften würden entstehen: Eudämonik, Felizitologie und Glückstechnik. In den Polikliniken würde man spezielle. Abteilungen für Eudämonopädie einrichten.
In unserer Freizeit, abends, experimentierten Gosset und ich ab und zu. Dabei stellten wir eines Tages fest, daß sich, mischte man beispielsweise zehn Prozent rosafarbenen Glücks mit zehn Prozent hellblauen Glücks, einmal zehn- Komma-eins und ein andermal zweiunddreißig Prozent ergaben. Und es kam, wenn auch nur selten, vor, daß es nur fünf Prozent waren.
Wahrscheinlich kämen auch andere dahinter. Schließlich kann es durchaus angenehmer sein, einen Blumenstrauß auf leeren Magen geschenkt zu bekommen als auf einen vollen. Und das zufällige Lächeln eines bestimmten Menschen kann das Herz mit einem weitaus größeren Glücksgefühl erfüllen als der Kauf eines neuen Autos.
Dann aber erhielten wir ein anderes Thema. Wir sollten untersuchen, worin das Glück besteht.
Nun hieß es arbeiten, und wir krempelten wieder die Ärmel hoch, um den Plan zu erfüllen. Wir entwickelten eine Apparatur zur Glücksreduzierung und eine Methodik der Sättigung mit
Weitere Kostenlose Bücher