Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das elektronische Glück

Titel: Das elektronische Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dieverse Autoren
Vom Netzwerk:
geben.«
     »Und das ist alles?«
     »Nein. Jeder Tag wird neu sein. Ich weiß, es wird auch Tränen und Verstimmungen geben. Du bist so aufbrausend. Alles wird es geben.«
     »Und du hast keine Angst?«
     »Nein.«
     Das Licht in der Küche ging aus. Ich brauchte nicht ins Fenster zu sehen, um zu wissen, was sie jetzt tat. Sie stand mitten im Zimmer. Was läßt sie hier zurück? Erinnerungen, ihre Zweifel, Angst, ein Stück ihres Herzens? Trotz allem ist es schwer. Äußerlich war doch alle in Ordnung. »Was für eine Familie!« sagten die Nachbarn. Sie stritten nie, nicht einmal großen Krach gab es. Bloß das Glück fehlte…
     Nina trat zu Nataschenka und strich über den Kopf des schlafenden Mädchens. Vielleicht lag hier das Hauptproblem?
     »Nina, ich verspreche dir nur, daß wir es schwer haben werden. Und die Nachbarn werden sagen: ›Wie leben die nur?‹ Sie werden uns niemals verstehen. Was wäre das für ein Leben, wenn alle außer uns es verstehen? Mag es umgekehrt sein.«
     Sie trat plötzlich ans Fenster und schaute ins Dunkel. Mich konnte sie nicht sehen. Sie wußte nicht, daß ich dort stand.
     »Und wenn es vergeht?« fragte sie. »Was wird dann aus dir? Was wird aus uns?«
     Nicht einmal jetzt fragte sie, was aus ihr würde. Was aus uns wird? Ich weiß es nicht. Wenn wir einander nicht mehr verstehen, ist das bedeutungslos.
     Ich kann mich nicht einmal erinnern, wann ich sie zum erstenmal gesehen habe. Das hat sich meinem Gedächtnis nicht eingeprägt. Nur: »Oh! Sergej hat geheiratet! So ist's richtig!«
     Hundertmal sah ich sie danach. Und nichts änderte sich. Die Welt blieb, wie sie war. Sie schwieg ständig. Auch gesungen hat sie nie. Das war direkt seltsam. Bei Festlichkeiten fingen wir, nach den Trinksprüchen an, zu tanzen und Faxen zu machen, und grölten Lieder, so laut wir konnten. Für einen Außenstehenden war das sicherlich kein schöner Anblick. Wem von uns aber wäre es in den Sinn gekommen, sich mit den Augen eines Außenstehenden zu sehen?
     Dann fiel mir auf, daß sie ständig lächelte. Still, unmerklich und traurig, als wüßte sie längst alles über uns. Sergej aber genierte sich und mied sie. Er war ein fröhlicher, aber eigensinniger Bursche. Ich weiß nicht, was mit den beiden passiert war, mir fiel nur auf, daß ihr Verhältnis dem zwischen mir und Marina sehr ähnelte.
     Und mit einemmal begriff ich, daß sie immerzu auf ein Wunder wartete, jeden Tag, jede Sekunde. Wunder gibt es schon, nur nimmt niemand sie wahr. Sie wartete auf ein Wunder, Sergej aber glaubte nicht an Wunder und zwang auch sie, nicht daran zu glauben, Sie aber wollte an Wunder glauben. Da kam er auf die Idee, daß sie dieses vorwärtsdrängende, rationale, keinerlei Zweifel zulassende Leben, das uns umgibt, nicht versteht. Er bedauerte sie und überließ ihr nur die Hausarbeit. Sie versteht nichts davon, und das ist auch gar nicht nötig. Er wird alle Entscheidungen selbst treffen. Beispiele dafür gibt es genug, so ist es schon in Ordnung. Sergej hatte einen eisernen Charakter und ein schroffes Wesen. Er schwankte und zweifelte niemals, entschied sich immer sofort, und alles gelang ihm auf Anhieb. So mußte es auch diesmal sein.
     Aber es wurde ein Reinfall.
     Man brauchte sie nur einmal anzusehen, wenn sie allein war, um alles zu verstehen. Für Sergej kam nichts dabei heraus. Nein, ein Blick genügte da nicht. Man konnte sie eine Million Mal ansehen und es erst beim millionsten Mal begreifen. Das liegt nicht an der Oberfläche. Das ist sehr tief in der Seele verborgen.
     … Ein kaum sichtbarer Streifen des Abendrots leuchtete am Horizont. Die Häuser schlummerten ein. »Was wird aus dir?«
     »Ich weiß nicht, Nina. Das weiß ich nicht. Und aus dir?«
     »Ich komme gleich 'raus. Warte. Mir ist kalt.«
     Sie glitt vom Balkon ins Zimmer.
     Jetzt wird gleich etwas geschehen, dachte ich. Aber was? Nina wird gleich hier sein. Und noch etwas. Was?
     Etwas begann zu schlagen wie eine riesige Uhr. Näher. Lauter. Irgendwo in mir. An der Hausecke tauchte eine stumme weibliche Gestalt auf. Die Hammerschläge dröhnten immer näher, immer lauter. Außer diesem bekannten, seltsamen, schrecklichen Laut war nichts mehr zu hören.
     Nina preßte die Hände ans Gesicht, senkte den Kopf und kam fast im Laufschritt auf mich zu.
     In diesem Augenblick explodierte etwas in meiner Hand. Dicht an meinem Ohr ertönte ein widerliches Kichern. Ich spreizte mechanisch den Arm ab. Der Hemdsärmel war

Weitere Kostenlose Bücher