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Das elektronische Glück

Titel: Das elektronische Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dieverse Autoren
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Arsik hatte sie allesamt abgenommen und in den Schrank gelegt. Dann hantierte er lange mit der Tafel herum, schloß Lichtgeber und verschiedene Filter an, mit deren Hilfe er die Zwiebeln bestrahlt hatte.
     Schurotschka und Katja mühten sich an meiner Anlage ab, fuhren immer wieder mit den Fingern über das Schema. Dabei fanden sie Zeit, offenbar wichtige Dinge zu erörtern. Ich hörte männliche Vornamen und das Pronomen »er«. Ignati Semjonowitsch las Zeitschriften und machte sich Notizen. Von Zeit zu Zeit klagte er, sein Kopf drohe zu platzen. Das reizte mich besonders.
     »Übrigens hat Rot keinerlei Beziehung zur Liebe«, sagte Arsik unvermittelt.
     Die Laborantinnen unterbrachen sofort ihre Arbeit und starrten Arsik an. Das Thema Liebe war für sie immer aktuell.
     »Arsik, erkläre uns das«, bat Katja.
     »Die Liebe ist etwas Gelbgrünes«, fuhr Arsik fort. »Hauptsächlich drei Spektrallinien.«
     »Gelbgrün!« entrüstete sich Schurotschka. »Arsik, du verstehst nichts von der Liebe!«
     »Du hast völlig recht, aber die Wellenlängen, die der Liebe entsprechen…«
     »Arsik«, sagte ich. »Halt uns nicht mit solchem Quatsch von der Arbeit ab.«
     Jetzt starrten die Laborantinnen empört auf mich. Sie meinten natürlich, die Liebe sei wichtiger als das Meßgerät, an dem sie herumwerkelten. Und überhaupt wichtiger als alles andere auf der Welt. Das wird ihnen systematisch durch Kunst, Literatur, Rundfunk und Fernsehen eingetrichtert. Im Radio hört man nur: »Die Liebe ist unverhofft erblüht…«, »Die Liebe ist ein Ring, ohne Anfang, ohne Ende…« und ähnlichen Schmus. Liebe kommt übrigens so selten vor wie Talent. Keine Schlager helfen, in dieser Frage talentiert zu werden.
     »Sehr seltsam, Gennadi Wassiljewitsch«, bemerkte Schurotschka. »In Ihrem Alter gibt es Männer, die noch zur Liebe fähig sind.«
     »Dagegen trifft man in Ihrem Alter, Schurotschka, selten einen Menschen, der Verstand hat und zu denken fähig ist. Leider«, sagte ich.
     »Meinen Sie!« erwiderte Schurotschka gekränkt. »Lassen Sie sich mit Ihrem Verstand begraben! Den braucht sowieso keiner!«
     »Der Disput ist beendet«, erklärte ich. »Alle weiteren Beratungen finden nach der Arbeitszeit statt.« Im Labor wurde es still. Schurotschka und Katja arbeiteten, ohne aufzublicken. Arsik preßte seine Augen an die Okulare der Anlage, wobei er mit den Fingern an irgendwelchen Knöpfen drehte. Sein Mund verzog sich zu einem seligen Lächeln. Dann spitzten sich die Lippen, und Arsik gab einen Laut von sich, der einem Kuß ähnelte.
     »Ich habe euch geliebt, es kann noch Liebe geben«, sagte er.
     »Arsik!« ermahnte ich ihn leise, aber eindringlich. Arsik riß sich von den Okularen los. Seine Augen sahen glücklich und traumverloren aus. Das entsprach durchaus nicht meinen Vorstellungen von Arbeit, von Physik, sachlicher Atmosphäre und wissenschaftlichem Fortschritt. Es entsprach auch nicht meiner Stimmung. Schon zwei Monate lang traten wir auf der Stelle. Wir tranchierten die Zeit. Mir war sogar der Gedanke gekommen, daß wir alle auf die Rente warteten wie Ignati Semjonowitsch. Ist es nicht gleich, wie lange man wartet – zwei Jahre oder dreißig? Diese Überlegungen zehrten an meinen Nerven.
     »Sei so liebenswürdig, mir innerhalb von drei tagen einen schriftlichen Bericht über deine Arbeit vorzulegen«, sagte ich zu Arsik.
     Interessanterweise erschrak Ignati Semjonowitsch zutiefst. Er machte ein konzentriertes Gesicht, kramte in seinem Schreibtisch und nahm einen Haufen dicker Hefte mit Lesezeichen heraus, um uns Tätigkeit vorzuspiegeln. Arsik reagierte ganz anders. Ohne seine Haltung zu verändern, forderte er von irgendwoher ein Blatt Papier hervor, strich ein paar Zeilen durch und zeichnete ein Schema. Dann trat er vor mich hin und legte das Blatt auf meinen Tisch.
     »Bitte«, sagte er. »Schon fertig.«
     Dort stand: »Arbeitsbericht. Neue Idee. Optische Mnemokonstruktion«. Es folgten ein Schema und ein paar Formeln.
     Zuerst dachte ich, Arsik wollte sich über mich lustig machen. Aber als ich mir die Formeln ansah, überzeugte ich mich, daß die Idee Beachtung verdiente. Arsik schlug eine Gedächtniskonstruktion vor, ein System aus drei Spiegeln von komplizierter Form. An einem Punkt des. Systems wird das Objekt eingegeben. Sein Abbild bleibt endlos lange erhalten. Es zirkuliert in dem System in Form von Spiegelungen, selbst wenn das Objekt nicht mehr vorhanden ist. Arsik hatte eine

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