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Das elektronische Glück

Titel: Das elektronische Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dieverse Autoren
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alles in Ordnung, alle Knöpfe zu… Auf einmal habe ich tiefer geblickt. Und dort – ist nichts. Gena, begreifen Sie das? Und das ist nicht mehr zu ändern.«
     Ich verabschiedete mich an seiner Haustür. Der Alte lächelte unvermutet und sagte: »Trotzdem fühle ich mich wohlauf. Arsik hat sich das gut ausgedacht.«
     Ich ging nachdenklich heim. Wie gut, daß der nächste Tag ein Sonnabend und der folgende ein Sonntag war! Bis zum Montag könnte alles wieder in normale Bahnen kommen! »Normal, normal…«, wiederholte ich im stillen, bis dieses Wort seinen Sinn verlor.
     Was ist normal? Wer lebt normal? Wer verhält sich normal? Wer bestimmt, was normal ist? Normal…
     Ich war in eine Schleife geraten, wie die Programmierer sagen. Mit großer Mühe verdrängte ich das Wort vor dem Schlaf und versenkte mich wieder in die gelbgrünen Felder voller Schmetterlinge. Von den Flügeln rieselte blauer Staub. Er setzte sich auf mein Gesicht, meine Haut wurde samtig.
     Ich fuhr mit der Hand übers Gesicht und erwachte. Meine Frau wirtschaftete in der Küche herum. Meine Tochter klimperte schon in ihrem Zimmer auf dem Klavier. Ich ging in die Küche. Dort saß Arsik am Tisch und aß Rührei. Meine Frau legte ihm gerade Schinken auf den Teller.
     »Ich frühstücke«, erklärte Arsik, während er an einem Stück Schinken kaute.
     »Großartig! Nicht mal zu Hause hat man Ruhe vor dir.«
     »Arsik hat wichtige Fragen«, sagte meine Frau. »Er heiratet.«
     »Schurotschka?« fragte ich.
     »Mhm.« Arsik nickte. »Weißt du, sie liebt mich sehr«, fügte er traurig hinzu.
     »Und du?«
     »Gescha, ich liebe jetzt meine Anlage. Und denke nur an sie.«
     »Heirate«, sagte meine Frau. »Dann kommst du auf andere Gedanken.«
     »Ich liebe sie auch, sicher«, sagte Arsik nachdenklich. »Nun, wie geht es Ignati Semjonowitsch? Ich mache mir Sorgen um ihn.«
     Ich berichtete ihm von unserem Gespräch. Arsik hörte konzentriert zu. Dann fragte er, auf welchem Strich der Zeiger stand. Ich sagte, daß ich nicht darauf geachtet hatte, doch das Licht in der Anlage war rot.
     »Die Katze«, sagte Arsik. »Schade, daß der Alte die Katze eingestellt hat. Er hätte auf Sonne stellen müssen.«
     »Was bedeutet Sonne?«
     »Weißblaue Spektrallinien. Freude.«
     »Und die Katze – Trauer?«
     »Keine Trauer. Schlimmer«, sagte Arsik. »Moralischer Kater. Gewissensbisse. Unruhe.«
     Meine Frau legte etwas Rundes mit einer rötlichen Schale auf den Tisch. Es hatte die Größe einer Melone.
     »Sieh mal, was Arsik mitgebracht hat«, sagte sie fröhlich. »Das ist eine Zwiebel.«
     »Zwiebel?« stammelte ich.
     Arsik senkte verwirrt die Augen. Dann erklärte er, daß er diese Zwiebel zu Hause gezüchtet hatte, nachdem ich seinen Blumenkasten aus dem Labor entfernt hatte.
     »Eine Zwiebel!« murmelte ich. »Das ist keine Zwiebel, sondern ein Zwiebelturm.« Sie wog fünf Kilo. »Gut, daß du Zwiebeln und nicht Kohl gezüchtet hast. Ein Kohlkopf wäre nicht durch die Tür gegangen.«
     »Gena, du lachst und hast selber das Experiment abgebrochen!« sagte meine Frau. »Das Landwirtschaftsministerium sollte Arsik ein Denkmal errichten!«
     Sie schnitt ein Stück von der Riesenzwiebel ab, und wir aßen es. Wir aßen es und weinten. Die Zwiebel schmeckte köstlich, die saftigen Ringe waren fingerdick.
     »Die Zwiebel ist ein Nebenprodukt derselben Idee«, meinte Arsik.
     »Du hast mich lange genug hinters Licht geführt!« sagte ich. »Erkläre mir endlich: Wie machst du das? Was ist das für eine Idee? Vielleicht bin ich imstande, das zu begreifen?«
     Arsik betrachtete mich abwägend. Die letzten Worte hatte ich nicht ernst gemeint. Aber da stiegen in mir plötzlich Zweifel auf. Wenn ich nun nicht dazu imstande wäre? Schon nicht mehr oder noch nicht? Früher hatte ich gedacht, ich wäre imstande, alles zu begreifen.
     »Das begann mit ganz einfachen Überlegungen«, sagte Arsik. »Ich dachte an Malerei und Musik. Was wirkt deiner Meinung nach stärker?«
     »Musik«, antwortete ich, ohne zu überlegen.
     »Mit dem Gehör nehmen wir allerdings bedeutend weniger Informationen über unsere Umwelt auf als mit den Augen. Die Musik von Licht und Farben, wie sie die Maler suchen, ist noch sehr unvollkommen. Wir sind nicht fähig, sie wie akustische Musik aufzunehmen. Hast du bemerkt, daß wir beim Musikhören innerlich mitsingen, als würden wir die Musik unterstützen? In gewissem Sinne erzeugen wir sie selber. Deshalb

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