Das Elfenportal
passiert.«
Pyrgus regte sich auf. »Ich bin nicht von zu Hause weggelaufen!«, rief er empört. »Ich hab mich nicht aus meiner Verantwortung geschlichen! Ich hab meine Schwester nicht im Stich gelassen und außerdem braucht sie mich überhaupt nicht als ihren Aufpasser. Du hast mich gezwungen zu gehen! Ich fass es nicht, dass du immer noch Tiere jagst. Ich fass es nicht, dass du dir einen Zoo hältst. Ich fass es nicht, dass du immer noch an mittelalterlichen – «
»Du scheinst dich vor allem um Tiere zu sorgen«, sagte sein Vater kühl. »Aber hier geht es nicht um Tiere, Pyrgus. Hier geht es um die Zukunft des Reiches.«
»Ach, sei doch nicht so melodramatisch«, schnaubte Pyrgus in genau dem Tonfall, von dem er wusste, dass er seinen Vater zur Weißglut treiben würde.
Sie befanden sich im Wintergarten hinter dem Thronsaal. Die Luft war schwer vom Duft der Orchideen. Der Purpurkaiser war nicht hochgewachsen, aber breit gebaut: In dieser Hinsicht schien Pyrgus nach ihm zu kommen. Seinen Kopf krönte die päpstliche Tonsur – als Kaiser war er zugleich Oberhaupt der weltweiten Kirche des Lichts – und er trug ein offenes Hemd, das die Schmetterlingstätowierungen seines Amtes frei ließ. Sie schienen beinahe zu flattern, als er versuchte, seinen Zorn zu bändigen.
Dieses eine Mal war er weit erfolgreicher als Pyrgus. Seine Stimme war beinahe ruhig, als er sagte: »Das ist nicht melodramatisch, Pyrgus. Das ist schlicht und einfach das wirkliche Leben – dein Leben ebenso wie meines. Ich nehme an, Tithonus hat dich daran erinnert, wer du bist.«
»Ich nehme an, du hast ihm das befohlen.«
»Ja, das habe ich. Ich bin mir durchaus bewusst, dass du viel eher bereit bist, ihm zuzuhören, als mir. Ich hatte gehofft, er könnte dir vor unserem Gespräch ein wenig Vernunft beibringen, aber ich sehe jetzt ein, dass ich da bei weitem zu viel erwartet habe. Pyrgus – «
»Wusstest du, dass es in der Seething Lane eine Fabrik gibt, in der sie Leim aus lebenden Katzenjungen herstellen?«, fragte Pyrgus ihn wütend. »Wusstest du, dass es dort Nachtelfen gibt, die große Dämonen anrufen? Wusstest du, dass einer von ihnen mich beinahe umgebracht hat? Wusstest du, dass Hairstreak dreimal die Woche in seinen Phönixkäfig geht und – «
»Wir wissen alle, dass das Benehmen der Nachtelfen einiges zu wünschen übrig lässt, aber – «
»Einiges zu wünschen übrig lässt?«, wiederholte Pyrgus. »Einiges zu wünschen übrig lässt? Vater, du verhandelst mit diesen Leuten. Du behandelst sie wie Ebenbürtige !«
»Ich behandele sie wie Untertanen des Reiches, was sie auch sind. Ob dir das gefällt oder nicht. Sie sind schwierig, das ist wahr – «
»Schwierig?«, explodierte Pyrgus. »Sie versuchen alles niederzureißen, wofür wir stehen!«
»Ja, das tun sie«, gab sein Vater zu. »Das tun sie wirklich. Und genau das ist der Grund, warum wir achtsam mit ihnen umgehen müssen. Ich stehe seit Monaten in Verhandlungen mit der Nachtseite – unter anderem auch mit Lord Hairstreak. Diese Verhandlungen haben ein kritisches Stadium erreicht. Ich kann es im Augenblick ganz und gar nicht gebrauchen, dass mein schwachköpfiger Sohn dort hineinplatzt, wo er nichts zu suchen hat, und ihnen neue Munition auf dem Silbertablett serviert!«
»Meine Mutter wäre mit dem, was du tust, nie einverstanden gewesen!«, fauchte Pyrgus.
Sein Vater fuhr zornentbrannt herum. »Lass deine Mutter aus dem Spiel! Du hast keine Ahnung, womit sie einverstanden gewesen wäre oder nicht. Du weißt noch nicht einmal, worum es hier geht! Ich habe versucht, dein Interesse an politischen Dingen zu wecken, aber du denkst immer nur an dich und deine verdammten Tiere! Ach, was bist du mitfühlend, Pyrgus – jedem Vogel und jedem Jungtier gilt dein Mitgefühl. Aber wenn wir hier keine Einigung erzielen, dann werden es nicht nur Vögel und Jungtiere sein, die sie töten – dann werden es Elfen sein!«
»Elfen töten die Nächtlinge doch sowieso«, sagte Pyrgus. Er benutzte den abwertenden Begriff mit Absicht.
Sein Vater sah kurz so aus, als würde er gleich platzen, dann schaffte er es doch noch, seinen Zorn zu bändigen. »Genug«, sagte er. »Es reicht mir jetzt. Ich habe dich nicht hierher bringen lassen, um über Politik zu diskutieren oder meine Entscheidungen zu rechtfertigen. Ich bin der Kaiser und das muss genügen. Wenn du den Thron übernimmst, kannst du Tierasyle für sämtliche Streuner des ganzen Königreiches einrichten, aber bis
Weitere Kostenlose Bücher