Das Elfenportal
etwas Einladendes hatte, jedenfalls aus der Sicht eines Einbrechers.
Aber so einladend nun auch wieder nicht. In einem Anfall von Optimismus hatte Henry fast schon damit gerechnet, dass ein Fenster oder sogar eine Tür offen stand, aber es war alles verriegelt und verrammelt.
»Merkwürdige Fenster«, sagte Pyrgus auf Zehenspitzen. »Die Fenster in Mr Fogartys Haus verstehe ich – sie gehen hoch und runter wie die Fenster in meiner Welt. Aber – « Er brach plötzlich ab.
»Was ist los?«, fragte Henry.
Pyrgus schüttelte den Kopf. »Nichts weiter – bloß so ein blöder Schmerz hinter meinen Augen. Diese Fenster hier sind offenbar nach innen zu öffnen und haben große Metallgriffe.«
»Sie sind angeblich einbruchsicher«, sagte Henry.
»Das wohl kaum«, sagte Pyrgus. Er sah sich um, bis er einen halb im Gras verborgenen Mauerstein fand und ihn durch die nächstbeste Fensterscheibe warf.
»Das kannst du doch nicht machen!«, rief Henry aus.
»Hab ich doch gerade«, erklärte Pyrgus.
»Aber wenn es jemand gehört hat!«
»Dann machen wir besser schnell«, sagte Pyrgus. Er steckte die Hand durch das Loch und hatte das Fenster trotz seiner mangelnden Vertrautheit mit den Griffen einen Moment später geöffnet. Noch einen Moment später, und die beiden standen in einem leeren Klassenraum.
Irgendwie hatte Henry die Vorstellung gehabt, Einbrechen sei etwas sehr Schwieriges – im Film musste man immer auf alles Mögliche aufpassen und die Bösen wurden meist auf frischer Tat ertappt. Aber dieser Einbruch erwies sich als ein Kinderspiel. Henry fand jedes Bauteil auf Mr Fogartys Liste und entdeckte in einer Schreibtischschublade sogar zwei Plastiktüten, in denen sie sie transportieren konnten. Pyrgus und er waren schneller wieder draußen und auf dem Weg zu Bernies Auto, als er sich hätte träumen lassen.
Auf der Innenseite der Mauer war eine grasbewachsene Erhöhung, so dass man von hier sogar noch leichter hinaufkam. Henry war zuerst oben, zog sich auf die Mauer und ließ sich dann sofort wieder zurückfallen. Dabei riss er Pyrgus mit sich.
»Was ist los?«, fragte Pyrgus.
»Irgendein Bulle redet mit Bernie!« Henry zog sich wieder hoch und spähte vorsichtig über die Mauer hinweg. Hinter Bernies viel gepriesenem Ford hatte ein Streifenwagen geparkt, und ein Polizist unterhielt sich mit Bernie durch das Fenster auf der Fahrerseite. Aus dieser Entfernung konnte Henry nicht verstehen, was gesagt wurde, aber während er noch zusah, trat der Polizist zurück, Bernie winkte freundlich und fuhr davon. Der Polizist stieg wieder in den Streifenwagen, der ebenfalls davonfuhr.
»Was ist denn los?«, fragte Pyrgus.
»Bernie ist weg.«
»Und wie kommen wir jetzt mit den Sachen zu Mr Fogarty?«
Henry dachte einen Moment lang darüber nach. Dann sagte er: »Wir gehen zu Fuß.«
Siebzehn
D ie Kommandozentrale befand sich tief im Felsgestein unter dem Palast in einer ausgebauten Höhle. Sie war vor Angriffen sicher – sogar vor magischen Angriffen, weil das umgebende Granit einen ungewöhnlich hohen Quarzanteil besaß –, aber der Weg nach unten dauerte fast zwanzig Minuten, selbst wenn man die Schwebeschächte benutzte. Apatura Iris verbarg seine Ungeduld. Es war wichtig, dass der Purpurkaiser zu jeder Zeit Ruhe ausstrahlte, ob sie nun echt war oder nicht.
Tatsächlich war er alles andere als ruhig. Es gab immer noch nichts Neues von Pyrgus – nichts, was auf seinen Tod oder sein Überleben hindeutete. Das Portal des Hauses Iris behielt seine Geheimnisse nach wie vor für sich. Die Technikpriester legten Sonderschichten ein, um Pyrgus’ Aufenthaltsort zu ermitteln. Bis jetzt ergebnislos. Apatura hatte ihnen heute Morgen heftigste Vorhaltungen gemacht, aber ihm war bewusst, dass diese Männer ebenso sehr wie er herausfinden wollten, was geschehen war. Noch nie war jemand im Portal verloren gegangen. Die Männer fassten das Verschwinden ihres Kronprinzen als persönliche Beleidigung auf. Wenn ihn überhaupt jemand zurückholen konnte, dann sie.
Die Frage war nur, ob sie ihn auch rechtzeitig zurückholen konnten.
Der Purpurkaiser hatte Stunden mit dem Medizinoberpriester verbracht und alles über Triptium gelernt. Die Wirkung der Substanz ließ sich aufhalten, allerdings nur bei rechtzeitigen Gegenmaßnahmen. Die Behandlung bestand aus einer schmerzhaften Injektion und die vollständige Erholung konnte Tage dauern.
Wie viel Zeit blieb Pyrgus, bis es so weit war? Wie viel Zeit? Wie viel Zeit? Das
Weitere Kostenlose Bücher