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Das elfte Gebot

Das elfte Gebot

Titel: Das elfte Gebot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lester del Rey
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eine Weile hier lebte, würde er genauso abergläubisch werden wie alle anderen auch.
     
     
    Er rief hinauf zu Ellen, als er unter ihrer Wohnung vorbeikam, und sie kam sofort heruntergerannt. Sie hatte diesen roten Nylonanzug noch nicht gekauft – und würde das auch nicht tun, wenn er es verhindern konnte –, doch sie hatte ein neues Kleid an und sah ungewöhnlich hübsch aus. Das sagte er ihr auch. „Etwas Besonderes?“
    Sie nickte. Sie war mit irgend etwas beschäftigt, das sah er sofort, was bedeutete, er würde mit ihrer Stimmung wahrscheinlich nicht zu Rande kommen, bis sie mit der Sprache herausrückte.
    Doch sie überraschte ihn. „Ich gehe zu einem Evangelistentreffen, wenn du es unbedingt wissen willst.“
    „Ich dachte, du wolltest heute morgen in die Kirche.“
    „War ich.“ Sie lachte zu sehr gekünstelt. „Das war etwas Geistliches. Dies ist – nun, es ist anders. Es ist natürlich auch etwas Geistliches, aber es ist mehr …“
    „Mehr physisch“, beendete er den Satz für sie, und sie nickte. Stirnrunzelnd dachte er darüber nach. Vielleicht war es nur so eine Hokuspokus-Prozession, wie das Ding mit der Figurine. Doch er verspürte trotzdem ein leichtes Unbehagen. „Ellen, ich glaube, du solltest das nicht tun. Natürlich geht es mich eigentlich nichts an. Aber ich wünschte, du würdest die Evangelisten vergessen.“
    Sie setzte sich auf die Stufen, nicht ohne zuvor sorgfältig Staub und Schmutz weggewischt zu haben. Der Stoff des Kleides folgte ihren Bewegungen und liebkoste ihren Rücken und ihre Beine. Einen Augenblick lang konnte man ihren Oberschenkel sehen. Sie errötete etwas, richtete aber sofort den Rock wieder.
    „Sie sind sehr vorsichtig bei den Evangelisten“, sagte sie. „Sie nehmen niemanden, der verheiratet ist. Noch nicht einmal jemanden, der verlobt ist.“
    Wenn das als Beruhigung für ihn gedacht war, hatte es nicht den gewünschten Erfolg gehabt. „Vergessen wir doch die Evangelisten“, schlug er vor. „Rufen wir Harry und suchen wieder ein hübsches Lokal. Ich glaube, wir sind beide in der Stimmung für ein kleines Fest.“
    „Nein.“ Sie stand auf und strich ihr Kleid zurecht. „Ich hätte doch den roten Nylonanzug nehmen sollen.“ Sie klang, als wäre es eine größere Tragödie, daß sie ihn nicht gekauft hatte. Doch dann schien ihre Stimmung plötzlich umzuschlagen. Das allzu gekünstelte Lachen kam wieder über ihre Lippen.
    „Boyd, ich habe mich anders entschieden. Wenn du dich ruhig verhältst – wenn du unvoreingenommen zuhörst und nicht zornig wirst –, dann werde ich dich zu dem Treffen mitnehmen. Versprichst du mir das?“

9
     
     
     
    An Werktagen war die Versammlungshalle eine Art Fabrik, wo grober Stoff, den man aus bearbeitetem Tang herstellte, in kleinere Stücke zerschnitten und zur Verschiffung in ärmere Landstriche verpackt wurde. Nun hatte man den Fußboden geräumt, bis auf wenige Stoffballen, die als Sitze fungierten. Jeder Ballen bot zwei Personen bequem Platz, wie Boyd erkannte. Dann sah er überrascht zu den bereits anwesenden Personen hinüber. Die meisten von ihnen trugen leichte Masken.
    Eine junge Frau mit gewaltigem Busen und zu schmalen Hüften kam auf sie zugetrippelt. Angesichts der gezwungenen Freundlichkeit in ihrer Stimme wußte Boyd sofort, daß sie mitverantwortlich für den Ablauf war. Sie bedeckte ihre Gesichter hastig mit dünnen Gazeschleiern, wonach sie sie den schmalen Korridor hinabführte. Ihre Brust drückte sanft gegen Boyds Körper.
    „Nun, wollen mal sehen – ich glaube, ich setze Sie hierher, direkt in meine Nähe“, entschied sie sich schließlich, und erneut konnte er den sanften Druck spüren. Er wurde unsanft am Handgelenk gezogen, als Ellen sich auf dem Ballen niederließ und ihn mit sich zog.
    „Hast du denn überhaupt kein Schamgefühl?“ flüsterte sie in sein Ohr.
    Er wußte nicht, was er getan hatte, dessen er sich hätte schämen müssen, doch er verzichtete auf einen Protest. Dann grinste er und deutete rasch auf ihr Kleid. Dieses Mal war mehr als nur ein Schenkel zu sehen; wer auch immer ihr das Kleid verkauft hatte, hatte nicht allzuviel Geld für Stoff verschwendet.
    Sie hatte die Grazie, entschuldigend zu lächeln, als sie das Kleid zurechtzupfte. Nach einer Weile brachte sie es sogar über sich, die Vergeblichkeit ihres Zornes einzusehen.
    Boyd sah sich erneut in dem Raum um. Es gab schummrige Lichter unter kleinen Stoffschirmchen, die alle durch Leitungen, die in einem Punkt

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