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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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fertigte er ein Dekret aus, das er den Kaiser zu unterzeichnen zwang: Prinz Biederstern war in Ungnade gefallen und wurde für alle Zeiten des Hofes verwiesen. Außerdem wurde Rudolf verboten, in den nächsten zehn Jahren Wien zu besuchen.
EIN GUT IM VERFALL
    Politische Berichterstatter in den liberalen Zeitungen der Hauptstadt orakelten über die versteckte Bedeutung und die langfristigen Folgen des Beschlusses.
    Die Wiener Salons feierten wahre Klatsch- und Tratschorgien. Prinz zu Biedersterns Schicksal war in aller Munde. Niemand war verwundert über die harte Strafe, die ihn getroffen hatte. Die Empörung über seinen Auftritt im Theater und seinen schändlichen Übergriff gegen den respektierten Fürsten Schwarzenberg war weiterhin groß. Männer von Ehre, die feierlich versprachen, Rudolf nie mehr die Hand zu reichen, behaupteten, sogar solche Schurken und Schweinehunde, wie man sie bei feindlichen Völkern auf dem Balkan treffe, seien bessere Menschen als der junge Prinz. Viele freute es, dass diesem Irren der Zutritt zu den Salons untersagt war. Manche Mitglieder der Gesellschaft glaubten, dies werde seiner bedauernswerten Mutter den Tod bringen.
    Die Verbannung Rudolfs aus der Hofgesellschaft war für seine Familie eine große Demütigung. Am schlimmsten war es für seine Mutter, die mütterlicherseits von den Habsburgern abstammte. Ein jahrhundertealtes Ansehen wurde in den Schmutz gezogen.
    Wieder in Schloss Biederhof, zog Rudolf sich in sein Arbeitszimmer zurück. Er setzte sich an den Schreibtisch, um einen langen Brief an Arabella zu schreiben und zu erklären, dass sie, auch wenn er für sie nur einer unter tausenden war, für ihn die einzige sei, um die sein gesamtes Leben kreiste. Er wollte ihr sagen, dass sie durch eine Art magischer Anziehungskraft all die Zärtlichkeit und Wärme hervorgelockt habe, die in der Tiefe seines Herzens verborgen waren und die keine Frau zuvor hatte ans Licht bringen können. Aber es fiel ihm schwer, die richtigen Worte zu finden. Lange starrte er auf den unfertigen Brief.
    Nach einer Weile verspürte er sogar eine vage Furcht, Arabella könnte tatsächlich zurückkommen. Denn eine innere Stimme sagte ihm, dass seine Liebe weniger durch Arabella stimuliert wurde als durch den Bruch mit ihr. In ihrer Abwesenheit arbeitete seine Phantasie und schuf in seinem Herzen eine aberwitzige Liebe.
    Einige Tage vor Weihnachten trat die Mutter in Rudolfs Arbeitszimmer, ohne anzuklopfen. Er saß am Schreibtisch, auf dem sich leere Weinflaschen angesammelt hatten. Sie wollte etwas sagen, brach aber stattdessen in Tränen aus. Es dauerte Minuten, bis sie sich wieder gefasst hatte. Obwohl es ihr sichtlich schwerfiel, flehte sie ihren Sohn an, sich bei Seiner Majestät zu entschuldigen.
    Aber Rudolf war unnachgiebig und erklärte der Mutter, er fühle sich ungerecht behandelt. Der Kaiser habe sich in seine privaten Angelegenheiten eingemischt. Deshalb habe er, ungeachtet der Konsequenzen, für sich beschlossen, nicht länger Ferdinands treuer Diener zu bleiben, was er auch in der Rede unterstrich, die er später am Abend in reichlich betrunkenem Zustand vor einer Gruppe verängstigter und verfrorener Arbeiter auf dem Schlosshof hielt. Schwankend beendete er seine Rede mit den nahezu prophetischen Worten: »Die warmen Frühlingswinde werden den kaltherzigen Kaiser von seinem Thron wehen.« Dann ließ er Brot und Speck an die Leute verteilen; an Wein mangelte es auch nicht.
    Die trotzige Rede wurde in Wien allgemein bekannt. Für die Mitglieder der Aristokratie bekräftigte sie, dass Rudolf, indem er mit der Konvention gebrochen und sich mit einer Hure verheiratet hatte, auf das Niveau des Abschaums gesunken war und den Verstand verloren hatte. Dass er dazu noch die Frechheit besaß, illoyal gegenüber dem Hof aufzutreten, war unverzeihlich. Seine Kritik am Kaiser führte dazu, dass er als Verräter und politisch gefährlicher Paria betrachtet wurde.
    Einsam, ausgestoßen und ohne Zukunft in der Welt der Salons lebte Rudolf jenseits aller vernünftigen Grenzen, weit entfernt von den Realitäten des Lebens. Er verschlief die Tage und vertrieb sich die Nächte in immer schäbigeren Bordellen auf der anderen Seite der ungarischen Grenze. Jeden Abend verlangte er nach neuen Huren, die seine Angst dämpfen sollten. Ständig suchte er nach einer Frau mit Arabellas dunkler Persönlichkeit, ihrem vollendeten Körper, ihrer Willensstärke und Verschlagenheit. Aber er fand nie eine. Dennoch

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