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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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hatte Franz Grillparzer ein neues Stück verfasst, das an diesem Abend uraufgeführt wurde.
    Obwohl Mattias Schwarzenberg kürzlich seine Gattin verloren hatte, wirkte er heiter und jugendlich wie ein Mann in seinen besten Jahren, nicht wie ein trauernder Greis. Sprudelnd vor Energie nahm er am gesellschaftlichen Leben teil und verpasste kein Ereignis.
    Familie Schwarzenberg hatte eine große Loge im ersten Rang. Sie war Gegenstand des Neids der Wiener Gesellschaft, lag sie doch neben der kaiserlichen Loge.
    Arabella, an diesem Abend in einem eng anliegenden roten Kleid mit tiefem Ausschnitt, der ihren üppigen Busen großzügig entblößte, saß neben dem Fürsten, nippte an einem Glas Champagner und genoss es, von den jungen Herren in den oberen Rängen mit den Blicken ausgezogen zu werden.
    Das Stück war sehr schön, der Text auffallend melodiös. Ein junger Mann in erlesener Kleidung erschlug einen anderen auf der Bühne. Eine ältere Frau weinte, eine andere fiel auf die Knie. Die Schauspieler gestikulierten dramatisch. Arabella war tief ergriffen. Mattias Schwarzenberg wurde dagegen von einer Rückenverletzung geplagt, die er sich bei einem kleineren Jagdunfall zugezogen hatte.
    Arabella beugte sich zu ihrem Gastgeber, um flüsternd einen Kommentar zum Stück abzugeben. Die Rundung ihrer Brust kam dem Fürsten sehr nahe.
    Im selben Augenblick stürmte Rudolf in die Loge. Er fasste die Situation als äußerst intim auf. Es bestand kein Zweifel, dass er Schwarzenberg dabei ertappt hatte, wie er Arabellas Brüste streichelte. Rudolf bebte vor Empörung und begann zu toben.
    Auf der Bühne deklamierte der männliche Hauptdarsteller gerade einen Vers über die Lieblichkeit des morgigen Tages. Die Worte blieben ihm im Hals stecken, und er stand mit offenem Mund da. Die Blicke aller Anwesenden, der Schauspieler wie des Publikums, richteten sich auf die Loge neben der des Kaisers.
    Für den Bruchteil einer Sekunde starrten Rudolf und Arabella einander in die Augen. Diese begriff instinktiv, dass das beste Argument, zu dem sie greifen konnte, ihre Tränen waren, die Waffe des schwachen Geschlechts seit Anbeginn der Zeiten. Sie erhob sich, fiel ihrem Mann um den Hals und versicherte ihn ihrer Liebe und Hochachtung. Doch Rudolf ließ sich von Arabellas Worten und Tränen nicht beeindrucken. Er wünschte, dass sie, anstatt zu weinen, ihre Fehltritte gestand.
    Er fühlte sich betrogen und vor allen Menschen im Theater erniedrigt. Plötzlich glaubte er, einen Einblick in ein Leben von Lügen und verbrecherischen Handlungen getan zu haben, die alles in den Schatten stellten, was er sich hatte ausmalen können. Er stieß Arabella in ihren Sessel und schrie, ihre Liebeserklärung sei eine Lüge, ein billiges Schauspiel, und sie selbst sei eine Hure.
    Schwarzenberg ging dazwischen. Er wies den jungen Prinzen zurecht und warf ihm kindisches Verhalten vor, wie es einem Aristokraten aus angesehener Familie schlecht anstehe.
    Voller Verachtung stürzte Rudolf sich auf den Fürsten, versetzte ihm Faustschläge ins Gesicht und trat ihn in den Unterleib. Schwarzenberg krümmte sich und rang nach Luft. Er spürte Blutgeschmack im Mund, seine Perücke war verrutscht und sein linkes Ohr war von einem Heulen erfüllt, das ihm wie das Geräusch einer Signalpfeife in den Kopf schnitt. Er betastete sein Gesicht und merkte, dass seine Lippe geplatzt war. An seinem kleinen Finger glänzte ein blutiger Siegelring. Bevor er wieder zu Atem gekommen war und Rudolf zum Duell herausfordern konnte, war dieser aus der Loge verschwunden.
    Im Theater herrschte eine erhebliche Verstimmung. Der Gesandte des englischen Königs, Lord Hickenbottom, wurde durch die Aufregung von heftigem Herzrasen heimgesucht, fiel ins Koma und verstarb am nächsten Morgen. Mehrere Damen wurden ohnmächtig. Es herrschte ein allgemeines beklommenes Schweigen. Einer nach dem anderen im Publikum senkte den Blick zu Boden und tat, als sei er anderswo. Es war so still im Theater, dass selbst Menschen in den hintersten Ecken des Zuschauerraums mitbekamen, dass der Kaiser missgestimmt war und mit zitternder Hand eine Praline aus der Konditorei Sacher auswickelte.
DAS DEKRET DES KAISERS
    Am nächsten Morgen erhielt Rudolf ein mit unbeholfenen Buchstaben auf Fürst Schwarzenbergs Briefpapier geschriebenes Billett, in dem Arabella ihm mitteilte, dass, soweit es sie betraf, ihre Ehe beendet sei.
    Rudolfs erster Gedanke war, dass sie frei sein wollte, um sich ihren Lastern hingeben zu

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