Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
Vom Netzwerk:
den Tod bedeutet. Nichts lässt allerdings darauf schließen, dass sie darüber gesprochen hätten, Frombichler zu kennen.
    Auf den ersten Blick mag es so scheinen, als läge dies außerhalb der Geschichte der Familie Spinoza, doch ich kann es dennoch nicht unterlassen, hier Kopelews Buch zu erwähnen. Er wurde 1954 freigelassen und nach weiteren zwei Jahren rehabilitiert. Der Aufenthalt im Gulag hatte seinen Idealismus, seinen Glauben an eine Gesellschaft, in der der Gleichheitsgedanke sich durchsetzen würde, nicht brechen können. Er beantragte die Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei, und als sie ihm bewilligt wurde, erhielt er eine Anstellung an der Universität. In seinem Unterricht pries er die Freiheit der Literatur. Er lehrte eine junge Generation, dass das wahre, mutige Wort, dessen sich die großen Dichter bedienten, eine Waffe für den Frieden sei. Die brutale Invasion der Bruderländer in der Tschechoslowakei 1968 zerstörte schließlich seine Illusion von den Segnungen der sozialistischen Gesellschaft. Ohne an die eigene Sicherheit zu denken, argumentierte er dafür, dass die Menschenrechte in der Sowjetunion respektiert werden sollten. Er unterstrich, dass Menschen mit gutem Willen bösen Machthabern widerstehen und sie sogar besiegen könnten.
    Die Reaktion der Behörden ließ nicht auf sich warten. Zunächst wurde er isoliert, dann bürgerte man ihn aus. Das Buch
Aufbewahren für alle Zeit
schrieb er im deutschen Exil. Mitreißend schildert er die Wirklichkeit des sibirischen Lagers während des Terrors der Stalin-Ära. Kolyma geht gemeinsam mit Auschwitz und Hiroshima in die Geschichte der größten Schrecken des 20. Jahrhunderts ein. Kopelew berichtet vom Schicksal verschiedener Mitgefangener. In der Geschichte von F. erkenne ich meinen Großonkel. Sie handelt von einem deutschsprachigen Juden aus Ungarn, einem Kabarettisten, der zunächst in Dachau gesessen hatte, dann während des Krieges Sklavenarbeiter in einer Kupfermine in Jugoslawien gewesen war, einer Mine, die für die deutsche Kriegsindustrie von großer Bedeutung war. Nach der Befreiung wurde er in Budapest auf der Straße von Soldaten der Roten Armee aufgegriffen und zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion geschickt, wo die Fabriken stillstanden, nachdem so viele Männer gefallen waren. Da er viel zu schwach war für körperliche Arbeit, wurde er nach Sibirien deportiert. Kopelew beschreibt, F. sei, als er dort ankam, nach qualvollen Wochen in der Enge der Viehwaggons, im Dreck, im Delirium des Dursts, schon von Jahren des Hungers und der Misshandlung geschwächt gewesen. Der Aufenthalt im Lager, mit Kälte, Strafarbeit, Schlafmangel, Krankheiten, Ungeziefer, Ängsten, Erniedrigung und Leid, zehrte seinen Körper noch weiter aus. Als er nach Ungarn zurückkehrte, war seine Gesundheit völlig zerrüttet.
UMSCHREIBUNG DER GESCHICHTE
    Gerade fällt mir noch eine andere Geschichte ein, die uns mein Großonkel erzählt hat.
    Lawrenti Berija – erzählte er uns, nach wie vor unter dem Gebot strengster Verschwiegenheit – sei Stalins rechte Hand gewesen, ein schlauer und rätselhafter kleiner Mann. Es hieß, er sei gebildet, was man nicht ernsthaft behaupten konnte, allerdings war er belesen. Belesen auf eine vollkommen unsystematische Weise, denn er las alle literarischen Werke, die Stalin auf seinen Rat hin im Lande verboten hatte, und alle unveröffentlichten Manuskripte, die die Geheimpolizei beschlagnahmt hatte. Als eine Folge dieser Lesetätigkeit war er kurzsichtig und benutzte einen Pincenez. Berija hatte verschlissene Lederpeitschen an den Wänden seines Büros beim Sicherheitsdienst hängen, wo er die umfassenden Säuberungsaktionen in Georgien von 1936–1938, das Massaker an über 4400 polnischen Offizieren in einem Wald bei Katyn 1940, den Mord an Trotzki, die brutale Umsiedlung großer Volksgruppen, den systematischen Einsatz von Folter, Sklavenarbeit und Mord plante. Er schickte seine Landsleute wegen nichts in den Tod. Die verdächtigen Schriftsteller gingen häufig im Gulag zugrunde, nachdem sie erzwungene Geständnisse unterschrieben hatten. Alle fürchteten ihn, denn seine abscheulichen Handlungen und grauenhaften Übergriffe waren allgemein bekannt. Seine Wutausbrüche waren legendär. Ebenso sein sexueller Appetit. Nachts fuhr er in seinem großen Volga mit geschwärzten Scheiben umher, auf der Jagd nach Frauen, und die meisten von denen, die er auftrieb, kamen nie wieder nach Hause. Es wurde behauptet, seine

Weitere Kostenlose Bücher