Das Elixier der Unsterblichkeit
Der Film handelt von Menschen, die Juden vor der Vernichtungsmaschinerie der Nazis retteten. Dort sah ich das Interview mit Mathäus Frombichler, dem der schönste Ehrentitel Israels verliehen worden ist: Gerechter unter den Völkern. Der alte Koch erzählte, die Idee für die Rettungsaktion, eine der bedeutendsten des Zweiten Weltkriegs, sei ihm in dem Moment gekommen, als er auf der Liste der Gefangenen in Dachau den Namen seines alten Freundes Franz Scharf entdeckt habe.
Frombichler war im ganzen Reich als Hitlers halbjüdischer Koch bekannt. Nach dem Fall Berlins wurde er im Bunker des Führers verhaftet und von den Russen gefangen genommen. Während der Verhöre, geleitet von Hauptmann Lew Kopelew, konnte er bestätigen, dass Hitler tot sei und dass es sich bei der stark verkohlten Leiche in seinem Arbeitszimmer um dessen sterbliche Überreste handle. Er gab auch Auskunft über die letzten Stunden des Führers, wie er sich aufgeregt habe, als er hörte, die Rote Armee sei weniger als fünfhundert Meter vom Bunker entfernt. Es schien, als sei sich nicht einmal mehr Hitler des Endsiegs sicher. Er habe wild mit einer Pistole gestikuliert, die Haarsträhne sei ihm in die Stirn gefallen, er habe gebrüllt, die Juden seien an allem schuld, denn sie hätten die deutsche Nation geschwächt.
Frombichler war davon ausgegangen, dass Hitler jemanden erschießen würde. Andere fürchteten, er würde einen Nervenzusammenbruch erleiden. Doch er beruhigte sich und bat darum, sein Lieblingsgericht, Salade Niçoise, im Arbeitszimmer serviert zu bekommen. Als Frombichler mit dem Essen kam, fragte Hitler, ob er Lust habe, eine letzte Mahlzeit mit ihm einzunehmen. Sie aßen zu dritt. Ein paar Fliegen setzten sich auf Eva Brauns Teller. Sie verscheuchte sie angeekelt. Offensichtlich hatten sie ihr den Appetit verdorben, denn sie rührte den Salat nicht an und saß während der Mahlzeit stumm da. Die Freunde sprachen über Erinnerungen aus ihrer Jugend an der Schule in Linz.
Nach dem Essen erhoben sich alle drei vom Tisch. Hitler bedankte sich für die lange Freundschaft und drückte Frombichlers Hand. Eva Braun küsste ihren Mann auf die Stirn und schluckte Gift. Sie starb fast augenblicklich. Danach versuchte Hitler, Selbstmord zu begehen, indem er eine Zyankalikapsel leerte. Doch das Gift allein brachte ihn nicht um. Er wand sich vor Qualen. Die Schmerzen im Bauch wurden unerträglich, und er bat den Freund, seinem Leben ein Ende zu bereiten.
Frombichler nahm die Pistole, die auf dem Tisch lag, und zielte mit zitternder Hand auf Hitlers Schläfe. Er legte den Zeigefinger an den Abzug. »Schieß!«, brüllte Hitler. Doch die Pistole war nicht geladen. Frombichler spuckte auf den Boden und fluchte. Der immer bleicher werdende Hitler schrie vor Schmerzen. Da lief Frombichler in die Küche und kam mit einer schweren Bratpfanne aus Gusseisen wieder. Mit zwei zielgerichteten Schlägen gelang es ihm, Hitlers Schädel zu zertrümmern. Er betrachtete die Leiche ein paar Minuten lang und betete ein Kaddisch für seinen Freund. Dann ging er erneut in die Küche, um Petroleum zu holen. Er schüttete zwei Flaschen über der Leiche aus und zündete sie an. Mit Tränen in den Augen betrachtete er die Flammen. Als er Hitlers Arbeitszimmer verließ, wurde er von den Russen verhaftet.
In Nürnberg wurde Frombichler anderthalb Jahre später zusammen mit zwanzig Ärzten wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht gestellt. Diese Ärzte hatten Experimente in den verschiedenen Konzentrationslagern durchgeführt: die Körpertemperatur bei Männern auf sechsundzwanzig Grad gesenkt, Frauen in großer Höhe aus Flugzeugen geworfen, vitale Körperteile ohne Betäubung herausoperiert, Erwachsene sterilisiert, Embryonen aus Schwangeren herausgeschnitten, Kindern Tinte in die Augen injiziert, Chloroform in die Herzen von Zwillingen gespritzt, Zwerge in Teile geschnitten, unzählige Menschen ermordet, verletzt und invalidisiert. Einige der Ärzte wurden begnadigt, andere bekamen eine lange Gefängnisstrafe, acht wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Frombichler hatte selbstverständlich nichts in dieser Gesellschaft zu suchen. Er war schließlich kein Arzt. Doch als Koch konnte er nicht zusammen mit hohen Offizieren und Politikern angeklagt werden.
Die Verhandlungen dauerten acht Monate. Hunderte von Dokumenten wurden vorgelegt. Nichts deutete darauf hin, dass Frombichler schuldig war. Sein einziges Verbrechen – wenn man es denn als
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