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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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vermögt.«
    Faraj hatte nicht erwartet, unterbrochen und brüsk zurechtgewiesen zu werden. Seine Selbstsicherheit war wie verflogen. Sein Gesicht wurde so bleich und blutleer, dass alle glaubten, er sei einer Ohnmacht nahe. Da erkannte der Sultan, klarer als je zuvor, dass sein Erstgeborener zur Schar der Verächtlichen gehörte, dass es ihm an Würde mangelte und er offensichtlich nicht geeignet war, Granada zu regieren.
    Eine Woche später drückte Muhammed II. Faraj einen harten Kuss auf die Stirn und sandte ihn als Gouverneur nach Málaga, einem Verbannungsort, den er zehn Jahre zuvor vom Clan Ashqilula erobert hatte.
DER MITTLERE SOHN
    Der zweite Sohn des Sultans, Muhammed, war ein gewalttätiger Geselle mit einer unseligen Vorliebe für Dolche und Krummsäbel. Er neigte dazu, sich über jede Ordnung hinwegzusetzen, und pfiff auf die Gesetze. Er war impulsiv und aufbrausend und liebte es, zu herrschen und Befehle zu erteilen. Die Untertanen fürchteten ihn, denn er war cholerisch und bösartig und ließ Leute wegen geringster Vergehen auspeitschen.
    Nur eine Person stand Muhammed nahe, eine dunkelhäutige afrikanische Konkubine, von der man sagte, ihre Fleischeslust reiche für einen ganzen Harem aus. Aber sie gab sich nie einem anderen hin als ihm. Sie hieß Nedjmaa und galt trotz ihres Alters von über vierzig Jahren als eine der begehrenswertesten Frauen Granadas. Sie war stets in schwarze Seide gehüllt. Man sah nichts anderes von ihr als die Fußknöchel und die braunen, forschenden Augen. Das Gerücht wollte wissen, dass sie auf einer Gesichtshälfte Narben von Schnittwunden trug, die daher rührten, dass sie sich als Siebenjährige gegen einen Sklavenhalter zur Wehr gesetzt hatte, der sich an ihr vergreifen wollte. Es wurde behauptet, das Schicksal habe sie – sozusagen als Kompensation für die Qualen, die sie als Mädchen mit entstelltem Gesicht erleiden musste – mit einem vollendeten Körper ausgestattet.
    Manche redeten von Zauberkünsten und Hexerei und davon, dass sie mit ihrem heißen Geschlechtsorgan Muhammed den Kopf verdreht habe. Das Hofvolk liebte es, sich in saftigen Einzelheiten des angeblich ausufernden Liebeslebens der beiden zu ergehen.
    Das Gerede konnte Muhammed nichts anhaben. Einzig die Macht beschäftigte seine Gedanken. Er träumte davon, eines Tages über Granada zu herrschen.
    Als Faraj nach Málaga geschickt wurde, war Muhammed zunächst niedergeschlagen, doch dann packte ihn der Zorn angesichts der Unfähigkeit seines Vaters, zu erkennen, wer am besten für die Nachfolge als Sultan geeignet war. Er mutmaßte, die Ernennung Farajs zum Gouverneur sei als Vorbereitung des Bruders auf den Thron gedacht, und dieser Gedanke war ihm unerträglich.
    Muhammed redete von Verrat und Ungerechtigkeit, verwünschte die Ratgeber des Sultans, den Bruder, die Mutter, vor allem aber seinen Vater. Er schwor mit hassverzerrtem Gesicht und einem Säbel in der Hand, er werde Faraj eines Tages die Kehle durchschneiden. »Ich werde dich verfolgen bis zu deinem Tod, Faraj, feuchte Erde soll über dein Gesicht fallen, in die Nasenlöcher rinnen, deine Lungen füllen. Du wirst wieder zu Erde werden, als hätte es dich nie gegeben. Denn nur ich bin würdig, den Thron von Granada zu besteigen.«
    Er fuchtelte so wild mit seinem Säbel herum, dass er das Gleichgewicht verlor und zu Boden stürzte.
    Am Abend, als Muhammed sich beruhigt hatte und mit Nedjmaa im Bett lag, enthüllte sie ihrem Geliebten den Plan, den sie sich zu seiner Rettung ausgedacht hatte.
    »Die Vorsehung wusste, was sie tat«, sagte sie und rieb sich die Hände. »Da dein Bruder weit weg ist von zu Hause, außer Sichtweite des Sultans, kannst du meinen Plan ins Werk setzen. Du sollst nach Málaga gehen und Faraj aus seinem goldenen Gefängnis befreien.«
DER TOD IN MÁLAGA
    Muhammed besuchte Faraj in Málaga ohne Vorankündigung und blieb einen ganzen Monat in der Residenz des Bruders. Es war ein großes Haus, dunkel und mit vielen verwinkelten Gängen und von Feuchtigkeit triefenden Gewölben. Die Brüder sprachen wenig miteinander. Aber die Diener im Haus berichteten, dass sie häufig abends zusammensaßen und schweigend Kif rauchten, eine Art nordafrikanisches Haschisch.
    In einer sternlosen Nacht, der zehnten Nacht des Muharram, gerieten sie in Streit und es kam zum Kampf. Worum es bei dem Streit ging, wusste niemand. Aber es war offenbar, dass Muhammed angefangen hatte. Als er den Bruder niedergerungen hatte, brüllte er vor Wut.

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