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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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stieg aus dem Bett und reichte ihm Brot und Wasser, das er nach einem gewissen Zögern entgegennahm. Er brach das Brot, aß und trank.
VERBRECHEN UND STRAFE
    Die
History of the Arabs
des Libanesen Philip Khuri Hittis gilt als Klassiker. Es war mein Großonkel, der uns von diesem Buch erzählt hat. Darin gibt der Verfasser – ohne nennenswerte Quellenkritik, aber mit enormem Detailreichtum – wieder, was in den Darstellungen der arabischen Chronisten steht.
    Hitti schreibt: »Sultan Muhammed II. Ibn Nasrid starb am 8. April 1302. Nach dem Mittagessen nahm er ein Gebäck zu sich, das von einem Lakaien aus dem Haus seines Sohnes Muhammed überbracht worden war. Das Geschenk freute ihn, und er aß es mit gutem Appetit. Während des Nachmittagsgebets, als er in der Moschee kniete, bekam er Magenkrämpfe. Die Schmerzen nahmen zu, und er erstickte binnen kurzer Zeit. Er wurde am Abend desselben Tages im Garten der Alhambra begraben. Danach rief sich sein Sohn zu Sultan Muhammed III. aus.«
    Als Chaim vom Tod des Sultans erfuhr, brach er vor Verzweiflung und Scham beinahe in Tränen aus.
    »Niemand kann mir helfen«, sagte er leise. »Ich bin verfault bis ins Mark. Ich verabscheue mich selbst. Ich habe meinen Wohltäter verraten. Ich bin ein böser Mensch, der den Tod verdient.«
    Seine Ehefrau Rebecca sah die Panik in Chaims Augen und hörte sein Klagen. Auf ihre Frage, was geschehen sei, antwortete Chaim schnell, unzusammenhängend und verschluckte fast seine Zunge vor Eifer, sich zu erklären. Es dauerte lange, bis Rebecca verstand, dass der Sultan tot war und dass ihr eigener Mann ihn vergiftet hatte.
    Bestürzung und Wut überkamen sie. »Wie konntest du etwas so Entsetzliches tun? Was hattest du mit Muhammed zu schaffen? Wie konntest du dich von ihm überreden lassen? Der Sultan war dein Beschützer und dir zugetan und behandelte dich wie einen Freund. Ist dir klar, was du getan hast?«
    »Meine Gutgläubigkeit hat mich in diese schreckliche Lage gebracht. Glaub mir, Liebste. Muhammed hat mir versprochen, mich zu seinem Leibarzt zu machen«, verteidigte sich Chaim.
    »Auch wenn er dich zu seinem Leibarzt macht, so wirst du mit deinem Verrat nicht leben können. Nichts kann dir Vergessen schenken, du wirst nie frei werden von deiner Untat. Und außerdem, wenn du ohne weiteres willig bist, den Sultan zu verraten, der sich so getreu deiner angenommen hat, dann weiß Muhammed, dass er sich nicht auf dich verlassen kann. Er sagt sich, dass du bereit wärst, mit ihm das Gleiche zu tun.«
    »Es schaudert mich, wenn ich an das denke, wozu Muhammed mich getrieben hat. Aber er hat damit gedroht, mir schweres Leid zuzufügen, wenn ich nicht mit ihm zusammenarbeitete.«
    »Deine Furcht vor Leiden hat noch größeres Leid verursacht. Du begreifst wohl, wozu dein Verrat führen wird?«
    In der Nacht lag Chaim schlaflos in quälendem, endlosem Warten darauf, dass etwas geschehen würde. Stunde um Stunde, mit hohem Puls und in kalten Schweiß gebadet, hörte er Stimmen, die aus dem Boden und den Wänden flüsterten. Ein Strom von Schmähungen, harten Worten und dunklen Drohungen schlug über ihm zusammen. War es Einbildung? Nein, dachte er. Diese unerbittlichen und grausamen Stimmen gehören Dämonen, die meinen Untergang fordern.
    Sein schreckliches Warten endete im Morgengrauen. Chaim spürte eine gewisse Erleichterung, als vier Soldaten ins Schlafgemach eindrangen, ihm befahlen, sich anzukleiden, und ihn ohne Erklärung in den Keller des Palasts führten. Er blickte sich um und dachte mit Beben an das, was folgen würde. Während er schweigend ein jüdisches Gebet durch seinen Kopf ziehen ließ, wohl wissend, dass nun der unausweichliche Preis für seinen Verrat verlangt würde, ließ er sich widerstandslos von den Soldaten auf eine Bank drücken und festhalten. Ein kräftiger Folterknecht öffnete seinen Mund und riss ihm mit einer glühenden Zange die Zunge heraus. Der Schmerz war unerträglich, wenn auch kurz, denn Chaim fiel fast im selben Moment in Ohnmacht.
    Als er wieder zu Bewusstsein kam, war sein Blick getrübt, er sah nichts als das Licht der Fackeln an den Wänden. Er lag auf dem Rücken, halbnackt, in einer Lache getrockneten Blutes, das die Bank gefärbt hatte. Seine Arme und Beine waren mit kräftigen Seilen festgebunden. Während seine Wahrnehmung klarer wurde, entdeckte er, dass er blutverschmiert war. Um ihn herum standen Menschen und starrten ihn grimmig an. Am nächsten standen Muhammed und seine Mutter, die

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