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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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so schwer verständlich sie auch sein mochten, schlugen uns in ihren Bann.
DAS RÄTSEL DER EWIGEN WIEDERKEHR
    Mein erstes mystisches Erlebnis hängt mit Shoshana Spinoza zusammen. Eines Mittwochabends, ich war sechs Jahre alt und es waren noch sieben Tage bis Heiligabend, oder ich war sieben Jahre alt und es waren noch sechs Tage bis zu den Weihnachtsgeschenken, eins von beiden, egal, eines Mittwochabends weihte Shoshana Spinoza in den Räumen der spiritistischen Gesellschaft meinen Onkel in das Rätsel der ewigen Wiederkehr ein. Es fiel ihm schwer, seinen Eifer zu bändigen, und schon am nächsten Nachmittag enthüllte er uns das Rätsel. Er genoss es maßlos, davon zu erzählen. Außer Großmutter, die nur ein zerstreutes Interesse zeigte, waren alle hingerissen, ich auch, selbst wenn ich nicht viel begriff, weil ich klein war, außerdem verstand ich nicht so gut Deutsch, und ich glaube mich zu erinnern, dass Fernando von der ewigen Wiederkehr auf Deutsch erzählte, denn wenn er aufgeregt war, sprach er zuweilen Deutsch. Aber ich stellte keine Fragen, ich lächelte nur und war entzückt.
    Später hörten wir meinen Großonkel noch oft von diesem Rätsel reden. Er erzählte gern davon und immer mit der gleichen Begeisterung, als wäre es das erste Mal.
    Was ist denn das Rätsel der ewigen Wiederkehr?
    »Nietzsche hatte unrecht«, erklärte Fernando, »denn er dachte, dass sich alles eines Tages wiederholt, wie wir es erlebt haben, und dass es so weitergeht bis in alle Ewigkeit. Das würde bedeuten, dass Hitler und Stalin stets aufs Neue auf der Bühne der Geschichte erschienen und unschuldige Menschen ermordeten. Aber Shoshana stellt das Rätsel der ewigen Wiederkehr in einen ganz anderen Zusammenhang. Sie sagt, dass der Mensch in einem vollendeten Universum immer die Möglichkeit zu einem neuen Leben bekommt, das wir nicht danach gestalten können, wie unsere früheren Leben gewesen sind, sondern so, wie sie hätten sein sollen. Deshalb kehrt der Mensch auf die Erde zurück und erhält die Möglichkeit zu neuen Lebensläufen, mal in dem einen, mal in dem anderen Körper. Alle leben mit anderen Worten mehrere verschiedene Menschenleben.«
    Glaubte ich das?
    Selbstverständlich. Zwar hatte ich keine Ahnung, wer dieser Nietzsche war oder was er behauptet hatte. Aber jedes Wort aus dem Mund meines Onkels war Wahrheit für mich. Es kam mir nie in den Sinn, auch nur das geringste Detail in Frage zu stellen. Er war das männliche Vorbild, das mir in meiner frühen Kindheit die wertvollsten Einsichten vermittelt hatte.
    Und wer kann im Übrigen beweisen, dass Nietzsche recht hatte und dass das Rätsel der ewigen Wiederkehr nicht das Gleiche ist wie das Reinkarnationsprinzip?
PISS-BARUCH
    Nachdem er uns das Rätsel der ewigen Wiederkehr erklärt hatte, wandte mein Großonkel sich mir zu und legte mir die Hand auf die Stirn. Seine Stimme war heiser vor Erregung, als er sagte, Shoshana Spinoza habe angedeutet, dass ich in einem früheren Leben unser Urahn Baruch gewesen sei. Mein Bruder Sasha hörte aufmerksam zu. Ich sah sofort, dass er neidisch war. Er war immer neidisch auf mich, als wir klein waren. Denn obwohl wir Zwillinge waren und uns vom Aussehen her glichen wie zwei Beeren, waren wir sehr verschieden und aufgrund dieser Verschiedenheit anfänglich eine Plage und später eine wahre Gefahr füreinander.
    Vielleicht waren Fernandos Worte nichts als Phantasien. Aber seine überzeugende Ausdrucksweise und der einnehmende Klang seiner Stimme verursachten mir ein wohliges Gefühl im ganzen Körper. Meine Knie begannen zu zittern und ich hatte ein mystisches Erlebnis. Ich meinte, plötzlich schwerelos zu sein und Baruch in meinem Gewebe, in meinem Blut und in meinem Gehirn zu spüren.
    Später in der Nacht, im Traum, war ich unser Urahn Baruch und schwang König Alfonso Henriques’ schweres Schwert auf dem Schlachtfeld in Galicien. Ich verbreitete Schrecken unter den Soldaten des Feindes, sie lagen auf den Knien und flehten zitternd um Gnade. Stolze portugiesische Ritter bewunderten mich für meine Stärke, und ich genoss die Süße des Triumphs. Eine warme Woge überspülte mich.
    Ich schlug die Augen auf und entdeckte, dass ich ins Bett gepinkelt hatte. Ich bekam Herzklopfen und schämte mich. Auch Sasha wurde wach. Er machte das Licht an und sah, dass das Bett nass war. Er wurde wütend, nannte mich Piss-Baruch, Hurensohn, Dreckschwein und Arschloch. Dann spuckte er mir ins Gesicht. Während der weiße Schleim seiner

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