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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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Extrem ins andere. Statt sich das Leben zu nehmen, beschloss er, sich an seiner Liebe zu rächen, und was konnte eine schlimmere Strafe sein, als sich auf der Stelle mit dem Mädchen zu verheiraten, das Sara mehr hasste als irgendjemanden sonst auf der Erde. Verblendet von Enttäuschung und brennend vor Eifer, es ihr heimzuzahlen, schmeckte er die Süße der Rachgier.
NACH WIEN
    Elsa war groß für ein Mädchen und plattbrüstig wie ein Mann. Sie hatte ein ausdrucksloses Gesicht, kurz geschnittenes schwarzes Haar, buschige Augenbrauen, die wie zwei Schnauzbärte aussahen, einen blassen Teint und Mundgeruch. Sie war schweigsam, beinahe scheu, und kam nur schwer mit Leuten in Kontakt. Allen fiel ihr Bedürfnis nach Abgeschiedenheit auf, das vielleicht nichts anderes war als eine verdeckte Furcht vor Veränderung.
    Eigentlich war sie überhaupt nicht der Typ, den mein Großonkel mochte. Er wusste, dass es Wahnsinn war, sie zu heiraten und Vater ihrer Kinder zu werden. Elsa hatte so viele Mängel und Makel, so lächerliche Züge und ein unvorteilhaftes Äußeres. Aber er tröstete sich damit, dass sie nicht an dem schrecklichen Gefühl litt, sich nach etwas Höherem zu sehnen, sie war ganz und gar nicht unzuverlässig, im Gegenteil, und unter ihrer Einfachheit verbargen sich keine Hintergedanken. Vor allem aber war sie Saras Cousine, und die beiden hatten einander nie ausstehen können. Das gab für ihn den Ausschlag.
    Er machte Elsa klar, dass sein früheres Leben vergessen sei, jetzt wolle er nur jemanden haben, den er lieben konnte und der ihn liebte. Einen Augenblick dachte sie, er wolle seinen Scherz mit ihr treiben, doch er beteuerte mit der Hand auf dem Herzen, dass er es ernst meine. Sie entschied sich dafür, ihm zu glauben, denn es lag nach dem Krieg gleichsam in der Luft, dass junge Menschen eine Familie gründen und ein neues Leben beginnen wollten. Ihr Gesicht strahlte vor Freude. Dann umarmten und küssten sie sich wie ein liebendes Paar. Danach hatte er einen bitteren Geschmack im Mund, wie von Galle. Doch da hatte er Elsa schon sein Wort gegeben, sich ihrer anzunehmen.
    Einige Tage vor der Hochzeit flanierte mein Großonkel über die exklusive Váczistraße. Er war auf dem Weg ins Café Gerbeaud, um eine Tasse Kaffee zu trinken und die feinen Leute zu betrachten, die unter großen Sonnenschirmen an den Tischen im Freien saßen. Sie waren wie aus einem Roman des Chronisten des niederen Adels und der gehobenen Mittelklasse, Kálmán Mikszáth, entsprungen. Sie schnatterten unaufhörlich, lasen Zeitung und betrachteten die Leute. Wenn eine schöne junge Frau vorüberging, leuchteten die Augen der Männer auf, als wären sie seit Jahren nicht mit einer Frau zusammengewesen. Ihre hungrigen Blicke sagten mehr als tausend Worte. Die an den Tischen sitzenden Damen, die meisten mit einem eleganten Hut auf dem Kopf und einem Fächer in der Hand, musterten die vorbeischlendernden Frauen ebenfalls und gaben allerlei höhnische Kommentare ab: Die erste hatte zu breite Hüften, die zweite war geschmacklos gekleidet, die dritte hatte zu dicke Beine.
    Im Café Gerbeaud trafen sich Schriftsteller und Journalisten. Als junger Mann hatte mein Großonkel gewisse Illusionen gehabt, was Schriftsteller betraf. Er las ihre Bücher und war gefesselt von ihrer Fähigkeit, so viele Gedanken und Gefühle aufs Papier zu bringen, oft die verborgensten Gedanken und Gefühle des menschlichen Herzens. Er erkannte Géza Gárdonyi und Gyula Krúdy, zwei berühmte Autoren, unter den Gästen. Aber wie sie jetzt dort saßen, drückten ihre Gesichter die gleiche Lüsternheit, Oberflächlichkeit und Eitelkeit aus wie die aller anderen Männer. Sie wurden genauso erregt, wenn eine junge Frau vorbeistolzierte. Man brauchte kein besonderes Talent zu haben, dachte mein Großonkel, um festzustellen, dass diese Männer die gleichen Illusionen, die gleiche Sehnsucht, die gleichen Träume von einem Glück nährten, das nicht existiert, wie alle anderen auch.
    Er kam mit einem distinguierten Baron in mittleren Jahren ins Gespräch, der ihn zu einem Glas Weißwein einlud und ihn fragte, warum er so traurig aussehe. Da erzählte er von seinen zerstörten Illusionen, dass seine Liebe ihn verraten habe, während er in Kriegsgefangenschaft saß, und dass sie ihm sehr fehle. Das Schlimmste sei, ihren Duft nicht spüren, ihre Stimme nicht hören, seine Träume nicht mit ihr teilen zu können. Er tat sich selbst leid und war nahe daran, in Tränen

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