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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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einen großen Seidel Bier bestellte, betrachtete der Inhaber skeptisch sein bartloses Gesicht und fragte ihn, wie alt er sei.
    »Dreiundzwanzig«, erwiderte der Jüngling und fügte stolz hinzu: »Und ich kann genau so viele Bratwürste essen, ohne mit der Wimper zu zucken.« Ein Wort gab das andere und sie schlossen eine Wette ab. Der Poet verschlang binnen kurzer Zeit dreiundzwanzig fette Würste und spülte sie mit ein paar Seideln Bier hinunter. Er erhielt tosenden Beifall und brauchte nicht zu bezahlen. Ein paar Minuten später, als er seine Gedichte vortragen wollte, platzte ihm der Magen und er starb auf der Stelle.
    Waldvogel befürchtete, die Poeten könnten nach diesem Vorfall fernbleiben. Aber mitnichten. Sie kamen jeden Dienstagabend wie eh und je.
FROMBICHLER UND SEIN FREUND ADI
    Mathäus Frombichler spielte gut Schach; er war ein verwegener Angriffsspieler, der gern ein oder zwei Figuren opferte, um seinen Gegner matt zu setzen. Über ihn ging das Gerücht, er habe vor dem Krieg gegen Emanuel Lasker remis gespielt. Der Weltmeister Lasker hatte auf Einladung der sozialistischen Partei Wien besucht und sechsundzwanzig Simultanpartien gespielt, von denen er zweiundzwanzig gewann. Vier endeten remis.
    Der einzige, gegen den Frombichler regelmäßig verlor, war sein Freund Adi. Sie hatten sich am Gymnasium in Linz kennengelernt, zwei Außenseiter, die in der Schule ihren Altersgenossen hinterherhinkten und mehrfach ein Jahr wiederholen mussten. Beide fühlten sich seit ihrer frühen Kindheit ungerecht behandelt. Sie nährten einen unversöhnlichen Hass auf die Obrigkeit und gerieten oft mit den Lehrern aneinander. Sie hielten das ganze Leben lang zusammen.
    Frombichler war der eindeutig bessere Schachspieler. Einmal eröffnete er eine Partie mit gewagten Vorstößen der Bauern auf den Flügeln und griff dann Adis Zentrum von den Seiten an. Er gewann nach zwanzig Zügen. Adi war an jenem Tag schlechter Laune, und die schmähliche Niederlage verbitterte ihn. Er wurde so wütend, dass er versuchte, Frombichler mit einer Pistole zu erschießen. Glücklicherweise konnte einer der Gäste dem Heißsporn Adi die Waffe aus der Hand reißen. Frombichler bekam Herzklopfen und beschloss, von jetzt an Adi gewinnen zu lassen. Gleichzeitig verspürte er dem Freund gegenüber eine dunkle Dankbarkeit, weil der ihn nicht getötet hatte.
    In seinen jungen Jahren konnte Adi bei der geringsten Kleinigkeit außer sich geraten. Das erzählte Frombichler meinem Großonkel und erwähnte einen Vorfall, der sich an einem eiskalten Januarabend im Jahre 1913 abspielte, als Doktor Trotzki in Gesellschaft eines pockennarbigen Georgiers mit kräftigem Schnauzbart in die Bierstube Waldvogel kam, um Schach zu spielen.
    Trotzki besuchte das Lokal jeden zweiten Mittwoch und wurde von allen wegen seiner ausgesuchten Höflichkeit und seiner liebenswürdigen Konversationskunst geschätzt. Aber sein Gast – in groben, schmutzigen Stiefeln und einem verschlissenen Mantel – führte sich wie ein richtiger Bauerntölpel auf und war unfähig, hübsche Redewendungen zu benutzen. Dagegen war er ein ausgezeichneter Schachspieler, der mit Vorliebe das Spiel in der Mitte pflegte, wo er sich zahlreiche pfiffige Kombinationen ausdenken konnte. Seine Spezialität waren verwegene Königsgambits, die die Gegenspieler selten überlebten. Er bewegte die Figuren mit der linken Hand, obwohl sie verkrüppelt war. In der Bierstube machte er mit allen kurzen Prozess.
    Trotzki nannte ihn Koba. Manche sagten, sein richtiger Name sei Jossif Dschugaschwili; andere nannten ihn Stalin.
    In der letzten Schachpartie spielte er gegen Adi, der am selben Tag erfahren hatte, dass er zum zweiten Mal die Aufnahmeprüfung an der Kunstakademie nicht bestanden hatte. Er hatte den Georgier den ganzen Abend mit missbilligendem Blick betrachtet. Adi hatte sich vorgenommen, den widerwärtigen Mann um jeden Preis zu besiegen. Er stand unter einer nahezu unerträglichen Spannung. Aber schon nach acht Zügen tappte er direkt in eine Falle.
    Adi fühlte sich zutiefst gedemütigt. Er hatte einen Schweißausbruch, sein Fieber stieg, die Hände zitterten, er sah dunkle Flecken vor den Augen. Der Georgier lächelte listig, klopfte Adi auf die Schulter und sagte: »Spasiba.« Es war nur ein unschuldiges Danke, das begriff Adi, obwohl er das russische Wort noch nie gehört hatte. Aber die kurze Berührung durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag. Er bebte vor Zorn und ballte die Hände zu

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