Das Ende aller Tage
Pamlira zu diesem Punkt gesagt hatte. Das Buch war schwieriger Lesestoff, und Gerund hatte es eigentlich nur Cyro zuliebe durchgeackert, weil er wußte, daß das Thema sie interessierte.
Sie wurden aus ihren Gedankengängen gerissen. Cheddis massige Gestalt erschien in der Kabinentür. »Da habe ich eben einen Notruf empfangen«, sagte er polternd. »Im Unterwasserhafen Kapverde wird ein Arzt gebraucht. Sie haben dort einen Mann mit Strahlungsschäden, der dringend behandelt werden muß.«
»Natürlich übernehme ich den Fall«, sagte Cyro sofort. Sie stand auf und schob sich an ihm vorbei in die Pilotenkanzel.
Der Notruf kam wieder durch. Sie lauschte gespannt, schaltete den Sender ein und antwortete.
»Danke, Doktor Gyres«, sagte die Stimme erleichtert. »Wir erwarten Sie.«
Die Maschine war nur sechshundert Kilometer von den kapverdischen Inseln entfernt. Cyro hatte kaum ihren Platz vor dem Sender verlassen, da wurde weit voraus schon die Küste sichtbar; ein dunkler Streifen Ozean am Horizont, davor gelbe und graue Wüste. An diesem trostlosen Küstenstrich reichte die Wüste bis ans Meer. Sie zogen in einsamer Höhe über den weißen Brandungsstreifen hinweg, und Cheddi ging auf Südwestkurs. Wolkenfelder tauchten unter ihnen auf und nahmen die Sicht auf den Ozean.
Zehn Minuten später hatte Cheddi die Maschine auf tausend Meter heruntergebracht und die Wolkendecke durchstoßen. Links voraus tauchten die vierzehn Inseln des kapverdischen Archipels aus dem Ozean.
»Gut gemacht«, sagte Gerund. Cheddi beherrschte die Maschine und ihr elektronisches Navigationsgehirn mit müheloser Meisterschaft; er hatte jenes Fingerspitzengefühl für Maschinen, das nur den Einfältigen gegeben ist.
Die Maschine ging langsam über Satago nieder. Die grüngrauen Wasser kamen näher und näher, dann setzte die Maschine mit hartem Schlag auf die Oberfläche auf. Das Wasser kochte um sie hoch, verschluckte sie, und der Höhenmesser auf dem Armaturenbrett sank unter die Nullstellung und begann Faden anstelle von Metern anzuzeigen.
Cheddi hielt Verbindung mit dem Unterwasserhafen. In Abständen von zehn Faden wiesen Leuchtfeuer den Weg zur unterseeischen Stadt. Schließlich sahen sie vor sich das Walfischmaul eines Hangars durch das trübe Dämmerlicht der Unterwasserbeleuchtung gähnen. Das Gebäude lag wie auf einer Kanzel über einer Tiefseerinne, aus der kein Lichtschein heraufdrang. Die Maschine glitt hinein, und die gebogenen Stahltore schlossen sich hinter ihnen wie Kinnbacken. Sofort begannen gewaltige Pumpen das Wasser aus der Halle zu drücken. Frischluft strömte herein.
Cyro verließ die Maschine, bevor der Arbeiter mit dem Vacobil die zurückgebliebenen Seetiere sammeln und den Boden trockenblasen konnte. Gerund und Cheddi blieb nichts übrig, als ihr nachzueilen. Vor dem Hangar begrüßten zwei Hafenbeamte Cyro. »Wir danken Ihnen, daß Sie so rasch gekommen sind, Doktor Gyres«, sagte einer von ihnen. »Wahrscheinlich haben Sie die Einzelheiten des Falles bereits über Radio gehört. Es handelt sich um den ersten Ingenieur des Unterseefrachters Bartlemeo …«
Während er sprach, bedeutete er Cyro, Gerund und Cheddi, an Bord eines kleinen, offenen Fahrzeugs Platz zu nehmen. Der andere Beamte lenkte das Vehikel, und sie rasten mit hoher Fahrt die Hafenstraße entlang.
Millionen Jahre hatte der Mensch die Ozeane entweder als Fischgründe oder als gefährliche Handelsstraßen angesehen. Erst spät war er auf ihre Nahrungsreserven aufmerksam geworden und hatte begonnen, sie mit der gleichen Sorgfalt zu pflegen, die er dem Land schon seit undenklichen Zeiten angedeihen ließ. Als mehr und mehr Menschen für die Arbeit auf den unterseeischen Farmen und in Bergwerken am Meeresgrund benötigt wurden, waren in der dunklen Tiefe Häfen und Städte entstanden. Es konnte nicht ausbleiben, daß ihre Bewohner die Mitmenschen auf dem trockenen Land als verweichlicht betrachteten.
Der Unterseehafen Kapverde war wegen seiner günstigen Lage und der Nähe Klein-Unions, der zweitgrößten Stadt Yinnisfars, einer der ersten seiner Art gewesen. Das Stadtviertel, in dem das offene Fahrzeug nun hielt, war älter als tausend Jahre. Sie wurden in ein düsteres Hospital mit brüchiger Fassade geführt, durchschritten einen Innenhof und gelangten in den Krankenbau. Wie in einem Kloster säumten kleine Zellen lange Korridore. In einer dieser Zellen lag Je Regard, erster Ingenieur der Bartlemeo, mit einer Überdosis harter Strahlung im
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