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Das Ende aller Tage

Das Ende aller Tage

Titel: Das Ende aller Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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die schon vor Stunden, als das Nachtleben seinen Höhepunkt erreicht hatte, bewegungslos wie jetzt dagestanden waren, ohne am Trubel teilzunehmen. Ihre Gesichter waren starr vor Spannung. Nur ihre Augen bewegten sich.
    »Diese Menschen«, sagte Rhapsodie, »faszinierten Ars Staykr besonders. Sie waren seine Entdeckung. Er war überzeugt, daß, wenn ihn überhaupt jemand ins Herz der Stadt führen könnte, es diese Leute wären, diese Unterirdischen in den Durchfahrten und Hauseingängen. Jede Nacht waren sie da. Staykr nannte sie ›die impotenten Beobachtern‹.«
    Die Projektionswand wurde hell, füllte sich erneut mit Bewegung. Die Kamera beobachtete zwei Männer aus der Vogelperspektive, wie sie eine Uferstraße neben einem Kanal entlang gingen. Ars Staykr und sein junger Assistent Rhapsodie 182.
    Die zwei Männer blieben vor einem schäbigen Laden stehen und betrachteten zweifelnd das abblätternde Ladenschild: A. WILLITT – HERREN- UND DAMENBEKLEIDUNG.
    »Ich habe das Gefühl, wir werden hier etwas herausbringen«, sagte Ars Staykr, als die Kamera in eine Halbtotale überblendete und der Ton anging. »Wir werden hören, was eine Stadt wirklich ist; von einem, der die Atmosphäre am schärfsten gefühlt haben muß. Mit diesem Mann stoßen wir bis in ihr Herz vor. Aber es wird nicht angenehm sein.«
    Dunkelheit ging von den Kleidern aus, die überall an den Wänden hingen. Der Ladenbesitzer Willitt war ein Wassermolch von einem Mann; seine Züge waren die Züge eines jener nächtlichen Beobachter vom Bosphorus Concourse, der sich nun in seiner Höhle aufgestöbert sah.
    Willitts Augen glotzten und glänzten wie die einer ertrinkenden Ratte. Er leugnete, jemals zum Bosphorus Concourse zu gehen. Als Ars Staykr nicht lockerließ, wurde er still.
    »Ich bin nicht von der Polizei«, sagte Ars Staykr. »Ich bin einfach neugierig. Ich möchte wissen, warum Sie jede Nacht dort hingehen und in einem Hauseingang stehen.«
    »Es ist nichts, dessen man sich schämen müßte«, sagte Willitt mit niedergeschlagenem Blick. »Ich tue nichts.«
    »Das ist es eben. Sie tun überhaupt nichts. Warum stehen Sie – und andere wie Sie – einfach dort und tun nichts? Woran denken Sie? Was sehen Sie? Was empfinden Sie?«
    »Ich muß mich um mein Geschäft kümmern«, protestierte Willitt. »Ich bin beschäftigt!«
    »Ich möchte wissen, was Sie empfinden, was Sie bewegt, Willitt.«
    »Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe.«
    »Beantworten Sie meine Frage, und ich werde gehen.«
    »Sie werden es nicht bereuen, Willitt«, ergänzte der junge Rhapsodie mit wissendem Blick.
    Der kleine Mann leckte sich die Lippen. Er sah übermüdet und blutleer aus. »Lassen Sie mich in Ruhe«, sagte er noch einmal. »Mehr verlange ich nicht. Ich habe Ihnen doch nichts getan, nicht wahr? Jeden Augenblick kann ein Kunde hereinkommen. Ich beantworte Ihre Fragen nicht. Und nun gehen Sie bitte.«
    Ebenso unerwartet wie schnell sprang Ars Staykr auf den Mann zu und drängte ihn rücklings gegen die Theke.
    »Willitt«, sagte er beinahe flehend, »ich muß es wissen. Wochenlang habe ich diese Kloake von einer Stadt durchwühlt, und Sie sind das, was ich auf dem Grund gefunden habe. Sie werden mir jetzt sagen, wie es dort unten ist, oder – bei Gott! – ich drehe Ihnen den Hals um!«
    »Wie soll ich es Ihnen sagen?« entgegnete Willitt mit plötzlicher Wut. »Ich kann es Ihnen nicht sagen. Ich habe nicht die Worte. Sie müßten einer von meiner Art sein, um das zu verstehen.«
    Zuletzt gaben sie auf und ließen Willitt allein.
    »Ich wollte die Beherrschung nicht verlieren«, sagte Ars Staykr erschöpft, als sie aus dem Laden kamen. Er wischte sich die Haare aus der Stirn und brachte seine Kleider in Ordnung. »Ein Kurzschluß, vermutlich. Jeder hat so einen angestauten Ärger in sich und ist nur zu leicht bereit, ihm freien Lauf zu lassen. Aber ich muß es herausbringen …«
    Sein kantiges, gespanntes Gesicht wurde größer und größer, bis es alles andere auslöschte und die gesamte Projektionswand einnahm. Eines seiner Augenlider zuckte nervös, unkontrollierbar. Dann wurde das Bild langsam ausgeblendet.
    Alle Anwesenden redeten durcheinander, bis auf den Chef. Die letzte Szene hatte ihnen gefallen.
    »Im Ernst«, sagte Ormolu 3, »diese letzte Szene hatte Pfiff. Man müßte sie natürlich mit geeigneten Schauspielern wiederholen und ausbauen, mit ein paar ausgeschlagenen Zähnen und so. Vielleicht könnte man damit enden, daß der kleine Kerl in den

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