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Das Ende der Geduld

Das Ende der Geduld

Titel: Das Ende der Geduld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Heisig
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in 2008 bezogen auf alle Tatverdächtigen mit großer Vorsicht zu begegnen. Dies umso mehr, als zwar ausweislich der Statistik die Raubdelikte stark rückläufig sein sollen, bei den schwersten Erscheinungsformen dieser Deliktsgruppe hingegen ein auffallend hoher Anteil von Tatverdächtigen unter 21 Jahren zu verzeichnen ist. So waren bei Mord im Zusammenhang mit Raubdelikten acht Tatverdächtige von 13, bei Raubüberfällen auf Spielhallen 13 von 17, bei Raubüberfällen auf Tankstellen zehn von 14, bei Handtaschenraub 61 von 101 und bei schwerem Raub aus Wohnungen 56 von 96 unter 21 Jahre alt. Beim Wohnungseinbruchdiebstahl lag der Anteil der unter 21-Jährigen bei 38,2 Prozent.
    Bereits aus dem Zahlenwerk der PKS ergibt sich demzufolge, dass die Jugendlichen und Heranwachsenden, gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil, überproportional häufig straffällig werden und - was besonders bedenklich erscheint - an den erheblichen Straftaten deutlich vermehrt beteiligt sind. Es wird dieser Erkenntnis häufig entgegengehalten, Jugendliche und Heranwachsende seien in ihrer „Sturm- und Drangphase" schon immer anfällig für kriminelle Handlungen gewesen, das „wachse sich dann schon irgendwann aus". Dies ist meistens zutreffend. Jedoch kommen auch rein statistisch gesehen inzwischen so erhebliche und auch zahlreiche Straftaten vor, dass es weder dem Jugendlichen nützlich noch den Opfern zumutbar ist, abzuwarten, bis die „pubertätsbedingte" kriminelle Phase ihr Ende findet.
    Im Übrigen sollte man sich über die alljährlichen Zahlen hinausgehend der Mühe eines Langzeitvergleiches unterziehen. Hierfür werde ich mich auf den Berliner Bezirk Neukölln beziehen, für den ich zuständig bin und dem ich mich später noch ausführlich widmen werde. Mir liegen Zahlen vor, die durch das Bezirksamt Neukölln erhoben worden sind und sich aus der Zahl der bei der Jugendgerichtshilfe (JGH) eingehenden Strafverfahren speisen. Diese Behörde ist am Jugendstrafverfahren beteiligt und erhält von der Polizei sämtliche Schlussberichte über Strafverfahren gegen die im Bezirk wohnhaften Jugendlichen und Heranwachsenden. Der Abgleich über die Zeitspanne von 1990 bis 2008 ist lohnend. Wurden im Jahre 1990 1600 Verfahren geführt - wobei in einem Verfahren auch mehrere Taten enthalten sein können -, waren es 2008 3585 (in 2007 3562), was einer Zunahme um 124 Prozent entspricht. Im Bereich der Körperverletzung ist eine Steigerung von 274 Prozent zu verzeichnen, beim Raub um 144 Prozent und bei Eigentumsdelikten um 194 Prozent. Festzuhalten ist dementsprechend, dass im Bezirk Neukölln ein nennenswerter Rückgang der Verfahren in dem Jahresvergleich von 2007 zu 2008 gar nicht zu verzeichnen ist. Hinzu kommt die Tatsache der kontinuierlichen Zunahme der Jugendkriminalität über knapp zwanzig Jahre bei stetig abnehmender Geburtenrate. Die extremen Unterschiede zwischen den Zahlen der PKS bezogen auf Gesamtberlin und auf einen sehr großen Bezirk mit immerhin ca. 300.000 Einwohnern - was knapp einem Zehntel der Einwohnerzahl Berlins entspricht - verwundern.
    Zusammenfassend darf festgestellt werden, dass Jugendliche und Heranwachsende vorwiegend im Bereich der Körperverletzungen, des Schwarzfahrens, der Sachbeschädigung, des Ladendiebstahls, der Rauschgiftdelikte, der Raubtaten und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Erscheinung treten. Überwiegend trifft die These, dass sich strafbares Verhalten junger Menschen ungefähr mit Anfang zwanzig „auswächst", nach wie vor zu. Dennoch kommt der Eindruck, dass sich etwas verändert hat, bereits in den zitierten Zahlen aus der Langzeitbeobachtung Neuköllns zum Ausdruck. Ein weiteres Indiz für eine problematische Entwicklung in der Jugendkriminalität ergibt sich aus der Berücksichtigung der sogenannten „Intensivtäter". Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Intensivtäter"?
    Unglücklicherweise definieren Polizei und Staatsanwaltschaft den Begriff des Intensivtäters unterschiedlich. Die Polizei bezeichnet eine Person dann als Intensivtäter, wenn er beharrlich und mit einem hohen Maß an krimineller Energie den Rechtsfrieden besonders störende Straftaten begeht (z. B. Raub und sonstige Rohheitsdelikte). Die Staatsanwaltschaft ordnet einem jungen Menschen, der innerhalb eines Jahres mindestens zehn erhebliche Delikte begangen hat, einen für ihn zuständigen Staatsanwalt zu und nimmt ihn in die Intensivtäterliste auf. Die Staatsanwaltschaft bündelt an dieser Stelle alle

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