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Das Ende der Geduld

Das Ende der Geduld

Titel: Das Ende der Geduld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Heisig
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nennenswerte Kontrollmechanismen zur Verfügung. Der Effekt ist nicht anders als bei den Militärangehörigen: Das Gehirn akzeptiert irgendwann die Gewalt. Kann man den Vertrieb dieser Machwerke nicht so hoch besteuern, dass mit ihnen kein wirtschaftlicher Erfolg mehr erzielt wird?
    Wer stundenlang gewalttätige Rap-Videos sieht, sich Killerspielen aussetzt, um dann bekokst mit seiner Gruppe loszuziehen, wird jedenfalls schwerlich einen friedlichen Abend verbringen.
    Überprüft wird der Drogenkonsum nach der Begehung einer Straftat allerdings nur dann, wenn es dafür einen äußeren Anlass gibt. Dies ist bei Alkohol natürlich häufig der Fall, bei Cannabis schon seltener, bei Kokain hatte ich selbst noch kein Verfahren, in dem dies aufgrund der auffallend brutalen Tatbegehung überprüft worden ist. In Anbetracht der Bedeutung, die der Konsum enthemmender Mittel offenbar spielt, muss hier allerdings nachgedacht werden. In Verfahren, die den Anschein einer grundlosen Gewaltorgie erwecken, spreche ich mich für einen Drogentest aller Tatverdächtigen aus. Das Ergebnis soll sie nicht entschuldigen, aber es ist im Falle eines positiven Tests ein Anhaltspunkt vorhanden, an dem das Gericht mithilfe entsprechender Sachverständiger ansetzen kann, um zu einer Erfolg versprechenden Maßnahme zu gelangen. Ich bin als Richterin dichter am Problem, wenn ich weiß, dass der Angeklagte unter Drogeneinfluss zur Beteiligung an Gewaltdelikten neigt, als wenn er keinerlei Drogenerfahrung hat, dafür aber häuslichen Gewalterlebnissen ausgesetzt ist.
    Das erscheint mir allemal sinnvoller, als wieder einmal ein AntiGewalt-Training zu verhängen, von dem viele Richter gar nicht wissen, wie es aufgebaut ist, für welche Klientel es sich eignet und vor allem ob es etwas „bringt". Wir erhalten lediglich irgendwann die Rückmeldung, dass die Maßnahme durchgeführt wurde. Dann schreiben wir in die Akten: „Vollstreckung erledigt". Ich wüsste hingegen gern, wie sich der Verurteilte im Training verhalten hat, wie die Pädagogen und Sozialarbeiter die Wirkung einschätzen und ob sie diesen Kurs für diesen Täter für den richtigen halten. Bei der bisherigen Praxis erfährt der Richter auch nichts über den Umgang mit den besagten Medien. Es wäre von Bedeutung, wenn die AntiGewalt-Maßnahmen auch hier ansetzten. Dann kann man daraus für weitere Fälle Erfahrungswissen schöpfen und zu einer fundierten eigenen Einschätzung der im jeweiligen Fall angebrachten Vorgehensweise gelangen.
    Es ist allerdings nicht leicht, einen Überblick hinsichtlich der bestehenden Angebote im Bereich der Anti-Gewalt-Maßnahmen zu erhalten. Diesen muss sich der Jugendrichter recht mühselig eigenständig erarbeiten. Das darf von uns erwartet werden. Jedoch stellt man dabei schnell fest, dass es viel zu viele Trainings, Kurse und Seminare für die Gewalttäter gibt, die größtenteils nicht evaluiert sind und bei denen sich mir der Eindruck aufdrängt, dass nach dem Motto „Viel hilft viel" verfahren wird. Ich werde mich später noch mit Projekten dieser Art beschäftigen.
    Kaum nachvollziehbare Gewalttaten haben nach meiner Wahrnehmung in erschreckendem Ausmaß zugenommen. Ich gebe zu bedenken, dass die Jugendgerichte für Mord und Totschlag gar nicht zuständig sind. Der Fall von München-Solln wird vor der Jugendkammer des Landgerichts zur Verhandlung kommen.
    Die Suche nach dem Tatmotiv fallt gleichwohl auch unterhalb der Grenze zu den Tötungsdelikten schwer. Der Anlass der Taten steht häufig in keinerlei Verhältnis zu den angewendeten brutalen Methoden. Der Antrieb des Täters zur Verwendung von Waffen, das Sinken oder nahezu Abhandenkommen jedweder Hemmschwelle machen es dem Richter manchmal unmöglich, Maßnahmen unterhalb von Jugendstrafen festzusetzen, um erzieherisch sinnvoll auf die Angeklagten einzuwirken. Um dem Erziehungsgedanken des Jugendgerichtsgesetzes (JGG), das unser „Handwerkszeug" ist, gerecht zu werden, wäre es nützlich zu wissen, weshalb eine Tat ohne jede Rücksicht auf das Opfer begangen wird.
    Aber lässt sich meine bisherige Einschätzung vom Anstieg der Jugendgewaltkriminalität anhand kriminalstatistischer Daten bestätigen oder widerlegen?
     

Zahlen und Fakten
    31.861 Tatverdächtige unter 21 Jahren wurden laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) 2009 im Jahr 2008 in Berlin ermittelt. Dies stellt in absoluten Zahlen die niedrigste Anzahl seit Einführung der Gesamtberliner Polizeistatistik dar. Insbesondere im

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