Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Ende der Geduld

Das Ende der Geduld

Titel: Das Ende der Geduld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Heisig
Vom Netzwerk:
Schwierigkeiten könne er doch nur allein lösen. Wie eminent wichtig diese Kooperation jedoch ist, zeigt sich im Nachfolgenden.
     

Zur Bedeutung und Situation der Bewährungshelfer und Bewährungshelferinnen
    Tatsächlich sind die Möglichkeiten der hauptamtlichen Bewährungshelfer in Berlin aus Kapazitätsgründen begrenzt, wobei die Belastung Schwankungen unterliegt. Nach den mir vorliegenden Berliner Statistiken stellen sich die Anzahl der Betreuungen und die Entwicklung der Durchschnittsbelastung wie folgt dar: Am 31. Dezember 1989 waren 1868 Personen von 51 Bewährungshelfern zu beaufsichtigen, was einer Belastung von 36,6 Probanden je Bewährungshelfer/in entspricht. Mit einer solchen Quote ließ sich nach Auskunft der Bewährungshelfer effektiv arbeiten. Es war möglich, die Verurteilten aktiv zu unterstützen, was wegen der vielfältigen Problemlagen meist auch notwendig ist. Praktisch bedeutet dies: Ein Hausbesuch, eine Begleitung zum Jobcenter oder zu einem Bewerbungsgespräch, die Vorbereitung einer Therapie mit entsprechenden zahlreichen Telefonaten, die Hilfe bei der Bearbeitung komplizierter Anträge oder die Einleitung einer Schuldenregulierung waren dem Bewährungshelfer zeitlich noch möglich. Am 31. Dezember 1995 mussten auf 55,25 Gesamtstellen 2151 Fälle verteilt werden, per 31. Dezember 2002 waren 41,5 Beamte für 2420 Betreuungen zuständig, was einer Durchschnittsbelastung von 58,3 Personen entspricht. 2009 stehen noch 40 Stellen zur Verfügung. Die Fallzahlbelastung lag zwischenzeitlich bei 65 bis 70 Fällen pro Bewährungshelfer. Im Laufe des Jahres 2009 sollen die Zahlen sich rückläufig entwickelt haben. Eine Rücksprache mit Bewährungshelfern in Nordrhein-Westfalen erbrachte, dass dort zeitweilig einhundert Probanden von einem Bewährungshelfer zu betreuen sind. Dies entspräche fast einer Verdreifachung der Fälle, in denen sinnvolle Arbeit noch realistisch ist. Bei solchen Zahlen ist eine Betreuung im Sinne einer aktiven Unterstützung nur noch in Ausnahmefällen gewährleistet. Alle übrigen Verfahren werden so bearbeitet, dass der Bewährungshelfer den Verurteilten Termine zuweist, die eingehalten werden müssen. Die Berichte, die dann an das Gericht geschickt werden, um den Verlauf der Bewährungszeit zu dokumentieren, erschöpfen sich in Zeiten extremer Belastung üblicherweise darin, die Angaben des Probanden, die dieser zu seiner aktuellen Lebenssituation macht, zusammenfassend wiederzugeben. Den Bewährungshelfern ist hieraus kein Vorwurf zu machen. Sie sind nicht in der Lage, wesentlich mehr als einen oder zwei Termine im Monat für jeden einzelnen Jugendlichen oder Heranwachsenden zu vergeben.
    Den Rest ihrer Arbeitszeit verbringen sie mit Verwaltungstätigkeit, Teilnahme an Gerichtsverhandlungen und dem Abfassen der Berichte. Die Verurteilten ihrerseits sehen manchmal keinen Sinn darin, zu ihrem Bewährungshelfer zu gehen, um ihre momentane Lage zu schildern. Man darf ihnen das jedoch nicht durchgehen lassen, zumal sich häufig zum Nichterscheinen beim Bewährungshelfer neue Straftaten hinzugesellen. Der Richter sollte sich ein umfassendes Bild von der aktuellen Lebenssituation des Verurteilten machen können. Er sollte wissen, ob der Proband denn zusätzlich zu einer begangenen Straftat auch noch seine Freundin und den Ausbildungsplatz verloren hat. Eine gut funktionierende Bewährungshilfe ist hierzu unerlässlich.
    Was nun meinen konkreten Fall angeht, verdeutliche ich dem Quengler nochmals, dass das Erscheinen beim Bewährungshelfer zwingend ist. Da die „Chemie" zwischen den beiden ansonsten zu stimmen scheint, lasse ich die Dinge, wie sie sind, und vereinbare mit dem Bewährungshelfer, mich umgehend zu informieren, falls es erneut zu terminlichen Unregelmäßigkeiten kommen sollte. Für einen Widerruf der Bewährung besteht noch kein Anlass, denn weitere Straftaten sind mir nicht bekannt, und auch die übrigen Lebensumstände scheinen stabil.
    Alle Angeklagten sind an diesem Tag erschienen. Die Anhörungstermine verliefen weniger erfolgreich, da ein Verurteilter seinen Termin versäumte. Dennoch insgesamt ein Glückstag. Ich habe viele Fälle erledigt und doch verbleibt das Gefühl, etwas spät dran gewesen zu sein, um die Angeklagten mit den angeordneten Maßnahmen auch innerlich zu erreichen. Zwischen den Taten und der Hauptverhandlung liegen sechs Monate bis zu einem Jahr. Bis die Weisungen dann erfüllt sind oder der Arrest vollstreckt ist, vergehen meist

Weitere Kostenlose Bücher