Das Ende der Geduld
signalisiert. In diesem Fall kommt es, wie es kommen muss. Ich verhänge gegen den wegen Diebstahls vorbelasteten Jugendlichen einen Dauerarrest von zwei Wochen und erteile eine Führerscheinsperre von einem Jahr. Der Freiheitsentzug wird zur Kenntnis genommen, wegen der Führerscheinsperre wird wie immer geflucht. Der junge Mann verlässt den Saal türenknallend. Meine Anfangsüberlegung, etwas wegen seines Tilidin-Konsums zu unternehmen, habe ich im Laufe der Verhandlung verworfen. Der Angeklagte bestritt, überhaupt ein Problem damit zu haben, und behauptete, er wisse auch nicht, wie der Wirkstoff in seine Blutprobe gekommen sei. Bei dieser Sachlage hat die zwangsweise Anordnung einer therapeutischen Auseinandersetzung mit dem Thema keinen Sinn. Sie stößt darüber hinaus auch auf rechtliche Hindernisse.
Der 11.15-Uhr-Termin passt zum vorangehenden. Ein 19-Jähriger ist des Betruges in neun Fällen sowie des Verwendens gefälschter Urkunden angeklagt. Er hat sich aus Geldnot von anderen überreden lassen, mit seinem Auto in Deutschland herumzufahren, um dort mit zuvor gestohlenen Rezeptvordrucken, die sodann auf das Medikament „Tilidin" ausgestellt und mit erdachten Arztnamen unterschrieben wurden, an den begehrten Wirkstoff zu gelangen. Dieser sollte dann verkauft und der Gewinn geteilt werden. Das hat nur in einigen Fällen funktioniert. Die Sache fliegt rasch auf. Der Heranwachsende hat keinerlei Vorstrafen, geht inzwischen einer Lehre nach und hat einfach nur Angst, seine Zukunft ruiniert zu haben. Entwicklungsverzögerungen kann ich in seinem Lebenslauf nicht feststellen, weshalb ich allgemeines Strafrecht anwende und eine Geldstrafe verhänge, die so bemessen ist, dass er im polizeilichen Führungszeugnis keinen Eintrag haben wird. Die Strafe muss dann unterhalb von 91 Tagessätzen liegen. Nach dem StGB wird die Geldstrafe so bemessen, dass sich der Schuldgehalt der Tat in der Anzahl der Tagessätze niederschlägt, während die Höhe des Tagessatzes sich am Einkommen ausrichtet. Hat jemand also eine Lehrlingsvergütung von 300 Euro, teilt man diesen Betrag durch 30 Tage, mit denen sich ein Monat durchschnittlich bemisst. Der Tagessatz liegt dann bei 10 Euro. Im Falle einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 Euro zahlt der Angeklagte also 600 Euro. Bezieht der Angeklagte dagegen 3.000 Euro monatlich, muss er bei identischer Tagessatzzahl 6.000 Euro berappen. Der gescheiterte Betrüger zieht einigermaßen erleichtert von dannen.
Um 12.00 Uhr wird ein Schöffenverfahren, das bereits vor zehn Tagen begonnen hat, fortgesetzt. Die Anklage wirft einem jungen Mann vor, mit einer Truppe von etwa zwölf bis fünfzehn weiteren gleichaltrigen Personen einem 17-Jährigen auf dessen Heimweg von der Schule aufgelauert zu haben, um ihn zu verprügeln. Der Anlass war banal. Das Opfer soll von vielen Tätern, die bislang nicht namentlich bekannt waren, gleichzeitig angegriffen worden sein und alsbald auf dem Boden gelegen haben. Auch dort soll es weiter mit den Füßen getreten worden sein. Vor allem die Tritte gegen den Kopf verursachen erhebliche Verletzungen. Die psychischen Folgen der Tat scheinen noch schlimmer zu sein. Der Geschädigte hatte am ersten Verhandlungstag in der Zeugenbetreuung des Amtsgerichts auf seine Vernehmung gewartet, um dem Angeklagten nicht vor der Sitzung begegnen zu müssen. Dennoch war er seiner Befragung kaum gewachsen und brach in Tränen aus. Die Verhandlung musste unterbrochen werden. Der Schüler schämte sich, weil er weinte. Der Angeklagte, der die Tat bestreitet, benennt erst jetzt Personen aus seinem Umfeld, die in der heute stattfindenden Fortsetzungsverhandlung zu seinen Gunsten aussagen sollen. Der Geschädigte soll ihn zuerst provoziert und angegriffen haben. Leider erscheinen von den benannten Freunden des Angeklagten nicht alle, weshalb ein weiterer Termin notwendig wird. Zu diesem werden die unentschuldigt fehlenden Zeugen dann polizeilich vorgeführt werden. Außerdem erhalten alle ein Ordnungsgeld. Das Verfahren wird sich hinziehen.
Es ist nämlich alles andere als einfach, Fortsetzungstermine zu finden, denn es ist eine Frist von drei Wochen zu beachten, innerhalb deren das Verfahren weitergeführt werden muss. Außerdem müssen ich, die Schöffen sowie die Verteidiger in jeder Verhandlung zugegen sein, während die Staatsanwaltschaft unterschiedliche Sitzungsvertreter entsenden kann. Es ist natürlich besser, wenn zu den weiteren Terminen auch derjenige Staatsanwalt
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