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Das Ende der Geduld

Das Ende der Geduld

Titel: Das Ende der Geduld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Heisig
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nochmals Monate. Das geht oft nicht anders, denn die Betrügereien und Rezeptfälschungen bereiten der Polizei und der Staatsanwaltschaft einen großen Ermittlungsaufwand. Aber die „Tagger" und der Autofahrer wurden auf frischer Tat ertappt. Hier hätte auch ein vereinfachtes Jugendverfahren durchgeführt werden können, das die Verfahrensdauer erheblich verkürzt hätte - doch dazu später mehr. Trotzdem ist es befriedigend, nicht den ganzen Vormittag herumgesessen und vergeblich auf die Angeklagten gewartet zu haben. Falls dies geschieht, bleibt es nicht ohne Konsequenzen. Wenn sich aus der Aktenlage ergibt, dass der Angeklagte ordnungsgemäß zur Hauptverhandlung geladen war, ergeht häufig ein Haftbefehl. Ich mache von dieser Möglichkeit insbesondere dann Gebrauch, wenn die geladenen Zeugen erschienen sind, aber der Angeklagte durch Abwesenheit glänzt. Die Empörung ist auf dessen Seite dann immer groß, wenn „nur" wegen der versäumten Hauptverhandlung plötzlich eine Inhaftierung ansteht. Besonders dann, wenn man gegen 12.30 Uhr zum Termin um 9.15 Uhr erscheint. Schließlich sei man ja nun da. Dass die Zeugen dann bereits endassen sind und andere Verhandlungen laufen, ist den Angeklagten überwiegend gleichgültig.
     

Zur Funktion der Jugendgerichtshilfe,
der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger
in der Hauptverhandlung
    Die Jugendgerichtshilfe (JGH) bereitet die Hauptverhandlung vor, indem sie die Lebensumstände der Angeklagten ermittelt, und unterbreitet in der Sitzung einen ihr erzieherisch sinnvoll erscheinenden Vorschlag, wie auf die Straftat zu reagieren sei. Außerdem überwacht sie die Erfüllung der richterlichen Anordnungen. Mit den Neuköllner Vertretern der JGH habe ich keine Verständigungsprobleme. Ich erhalte stets sorgsam erarbeitete Berichte und fundierte Vorschläge bezüglich der denkbaren Maßnahmen. Bei JGH-Vertre-tern, die für Mitangeklagte auftreten, die in einem anderen Stadtteil wohnen, ist dies zuweilen anders. Wenn ich etwa aufgrund der Körperverletzung einer jungen Frau, die sich dem Willen ihres Exfreundes nicht beugen wollte, weil sie lieber in die Schule ging, statt den Vormittag mit ihm zu verbringen, gedanklich bereits kurz vor der Verhängung eines Dauerarrestes für den Täter stehe, schlägt man mir vor, dem „jungen Mann" doch noch eine Chance zu geben und das Verfahren einzustellen. Schließlich liege die Tat ja eine Weile zurück. Ein Blick in das Erziehungsregister des Angeklagten lässt mich schaudern, denn insgesamt wurden zuvor bereits vier Verfahren eingestellt. Auch ist festzustellen, dass die Jugendgerichtshilfen einiger Regionen manchmal fast nicht mehr existent sind. Es erscheint gelegentlich schlicht niemand mehr zur Gerichtsverhandlung oder es handelt sich um Beamte aus dem sogenannten „Stellenpool", die überhaupt nicht wissen, worum es geht. Berichte werden ebenfalls nicht in allen Fällen angefertigt. Kollegen, die für andere Bezirke zuständig sind, können insofern zahlreiche Beschwerden an Jugendamtsleitungen und Jugendstadträte vorweisen. Sie wurden meist abgewiegelt.
    Der Jugendrichter bearbeitet durchschnittlich etwa 300 Einzelrichterverfahren im Jahr. Bei einem Verhandlungstag in der Woche für diese Fälle bleibt nicht viel Zeit, um jeweils in die Tiefe zu gehen. Das ist oft auch gar nicht nötig, denn die meisten Täter kommen nicht wieder. Diejenigen jedoch, die bereits gefährdet sind, sich in Pauls, Johns oder Maiks Richtung zu entwickeln, gehen den Kollegen und mir im Frühstadium ihrer kriminellen Entwicklung eventuell „durch die Lappen", weil die Masse der Verfahren uns zwingt, die Erledigungsdauer im Auge zu behalten, damit insgesamt keine wochenlangen Terminrückstände entstehen. Das heißt, wir versuchen an einem Einzelrichtertag mindestens zehn Verfahren abzuarbeiten, damit die neu eingehenden Verfahren ebenfalls rasch terminiert werden können.
    Die Staatsanwaltschaft klagt schwere Taten, bei denen die Verhängung von Jugendstrafe zu erwarten ist, beim Jugendschöffengericht an. Etwa achtzig Schöffensachen verhandeln die Kollegen und ich jeweils jährlich. Auch dafür steht wöchentlich ein Verhandlungstag zur Verfügung. Da geht es dann um die in diesem Buch schon erwähnten Lehmanns, Johns und Maiks. Es lässt sich denken, dass diese Verfahren erheblich mehr Zeit beanspruchen als die Einzelrichteranklagen. Mehr als zwei „Johns" am Tag sind nicht zu verhandeln. Vor allem dann nicht, wenn die Angeklagten nichts

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