Das Ende der Geduld
Notwendigkeit ergeben, bei der Auslegung der Daten den statistisch festgestellten, unverhältnismäßig hohen Anteil junger Einwanderer an Gewaltdelikten vor dem Hintergrund eben jener „selektiv höheren Anzeigenquote" zu berücksichtigen.
4. Sowohl aus Opfer- wie aus Tätersicht zeigen die Daten zur selbstberichteten Jugendgewalt, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund häufiger Gewalttaten begehen als deutsche Jugendliche. Es wird ausgeführt, eine größere Gewaltbereitschaft sei mit Ausnahme der Asiaten bei fast allen Einwanderergruppen zu verzeichnen. Das KFN sieht sich in der Lage, die Unterschiede im Gewaltverhalten von Migranten und Deutschen „vollständig zu erklären", und zwar mit den unterschiedlichen sozialen, schulischen und familiären Rahmenbedingungen. So heißt es, Jugendliche aus Einwandererfamilien seien häufiger als deutsche Jugendliche Opfer innerfamiliärer Gewalt. Signifikant belastet sind hier Menschen, deren Eltern aus der Türkei, dem früheren Jugoslawien und aus arabischen bzw. afrikanischen Ländern stammen. Weitere Faktoren wie schlechte schulische Integration, daraus resultierende Schuldistanz und Alkohol- bzw. Drogenkonsum kämen noch hinzu. Daneben werde in diesen Familien Gewalt akzeptierenden Männlichkeitsnormen häufiger zugestimmt. Bei 25 Prozent der migrantischen Jugendlichen sei der Männlichkeitswahn fest verankert, bei deutschen jungen Männern hingegen nur bei fünf Prozent.
5. Sowohl der Querschnittsvergleich der bundesweiten Schülerbefragung 2007/2008 als auch eine Längsschnittanalyse der vom KFN seit 1998 in Großstädten durchgeführten Schülerbefragungen zeigen, dass verbesserte Bildungschancen mit geringeren Gewaltraten einhergehen.
Hier kann die Studie des KFN eindrucksvolle Zahlen präsentieren. Danach hat sich z. B. in Hannover zwischen 1998 und 2006 die Quote der türkischen Abiturienten von 8,7 auf 15,3 Prozent erhöht. Gleichzeitig ging die entsprechende Quote der mehrfach gewalttätigen jungen Türken von 15,3 auf 7,2 Prozent zurück. In München dagegen ergibt sich ein anderes Bild. Dort ist die Anzahl der türkischen Gymnasiasten im identischen Zeitraum von 18,1 Prozent auf 12,6 Prozent geschrumpft. Die Mehrfachtäterquote im Bereich der Gewalttäter ist parallel dazu von 6,0 auf 12,4 Prozent angestiegen.
6. Der stärkste Risikofaktor für Jugendgewalt ist die Einbindung in delinquente Freundesgruppen. Wer mehr als fünf delinquente Freunde in seinem Umfeld hat, wird mit 21,3 Prozent um das 50-fa-che häufiger zum Gewalttäter als ein Jugendlicher, der keine Straftäter zu seinen Freunden zählt. Der Konsum von Alkohol und illegalen Drogen, der ebenfalls einen wichtigen Risikofaktor für gewalttätiges Verhalten darstellt, ist unter Jugendlichen weit verbreitet.
7. Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Rechtsextremismus prägen das Weltbild einer Minderheit von Jugendlichen; in einigen Gebieten fällt deren Anteil allerdings alarmierend hoch aus.
8. Die bezüglich deutscher Jugendlicher erlangten Erkenntnisse bestätigen die bisherigen Erkenntnisse anderer Untersuchungen. Jungen vertreten häufiger rechtsradikales Gedankengut als Mädchen, in ländlichen Gebieten ist jugendlicher Rechtsradikalismus verbreiteter als in den Städten, in den neuen Bundesländern häufiger als in den alten, an Hauptschulen extremer als an Gymnasien.
9. Für mehr als drei Viertel aller Jugendlichen gehörte Gewalt in den zwölf Monaten vor der Befragung nicht zum persönlichen Erfahrungsbereich. Im Gegensatz zum Gewalterleben innerhalb der Familie, welches die Schüler zu 20,5 Prozent mindestens in Gestalt einer Ohrfeige hatten, gaben nur 16,8 Prozent der Jugendlichen an, in ihrem sonstigen Umfeld innerhalb eines Jahres Opfer eines gewalttätigen Übergriffs geworden zu sein. Innerhalb Deutschlands ergeben sich danach regionale Unterschiede zwischen Nord- und Westdeutschland, wo entsprechende Taten häufiger begangen werden, und Süd- und Ostdeutschland; in Städten ist Gewalt häufiger vertreten als auf dem Land.
Interessant finde ich vor allem Punkt 1. Die Schlussfolgerung, die Jugendgewaltkriminalität sei bundesweit gleichbleibend bzw. gesunken, ist in ihrer Generalisierung meines Erachtens sehr zweifelhaft - und dies umso mehr, wenn die in der Studie untersuchte Gruppe betrachtet wird. Es wurden ausschließlich Schüler der neunten Klassen quer durch Deutschland befragt. Davon waren etwa drei Viertel oberhalb des Hauptschulniveaus angesiedelt,
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