Das Ende der Geduld
den bunten Fingern und Dosen der Tatverdächtigen passt. Das daraufhin eingeleitete Strafverfahren wird dann „von Amts wegen" in Gang gesetzt, da ja ansonsten niemand etwas angezeigt hat. Unabhängig davon kann der Geschädigte der Sprüherei einen Strafantrag stellen, jedoch bleibt der Vorgang für die Statistik eine Anzeige „von Amts wegen". Das setzt aber voraus, dass solche Einsätze auch tatsächlich stattfinden. Gewerkschaftsvertreter der Polizei habe ich deshalb gefragt, ob der Rückgang der Anzeigen „von Amts wegen" entgegen der offiziellen Lesart nicht schlicht und ergreifend auf die seltener durchgeführten Streifenfahrten zurückzuführen ist. Ich erhielt in diesem Punkt eine klare und unmissverständliche Zustimmung. Weniger Streifen bedeuten nun einmal weniger Anzeigen von Amts wegen, was sich wiederum auf die polizeiliche Kriminalstatistik auswirkt.
Positiv hervorheben möchte ich die Arbeit der Fachbereiche zur Bekämpfung der Jugendgruppengewalt und der Intensivtäter. Hier ist eine Spezialisierung eingeführt worden, die sich mit der Arbeit der Staatsanwaltschaft im Bereich der Intensivtäter vergleichen lässt und sich als hilfreich erweist. In gleicher Weise beeindruckt mich die Arbeit der Präventionsbeauftragten der Polizei, die gerade in Schulen häufig anzutreffen sind und dort im Rahmen ihrer Möglichkeiten sehr großes Engagement an den Tag legen, um der Entstehung von Gewalt entgegenzuwirken.
Was aus alledem folgt, ist klar: Die Polizei muss deutlich gestärkt werden, um der Aufgabe einer wirksamen Kriminalitätsbekämpfung nachkommen zu können. Der Personalabbau ist unbedingt zu stoppen, die Polizeipräsenz im öffentlichen Raum zu vervielfachen. Die Autorität der Beamten ist zu stärken. Dies ist bei Jugendlichen am ehesten dadurch zu erreichen, dass sie merken, dass auf ihre Taten schnelle staatliche Reaktionen erfolgen und Polizei, Staatsanwaltschaft, Justiz und Jugendamt und gegebenenfalls auch die Schulen Hand in Hand arbeiten, am selben Strang ziehen und sich nicht länger vorführen lassen.
Die verbale Herabsetzung oder sonstige Entwürdigung eines Staatsbediensteten darf nicht hingenommen werden und muss dementsprechend grundsätzlich und nicht nur im Ausnahmefall geahndet werden. Meines Erachtens ist die Justiz hier auch in der Pflicht, durch spürbare Sanktionen gegenüber den Angeklagten deutliche Zeichen zu setzen. Die Zahl der im Dienst verletzten Polizeibeamten hat, wie bereits dargestellt, mit 2874 Betroffenen im Jahr 2008 ein neues Rekordniveau erreicht. Das ist der höchste Wert seit 2003. Er wird - wenn man allein die 480 angegriffenen und verletzten Beamten der 1.-Mai-Krawalle berücksichtigt - für 2009 nicht geringer ausfallen.
Eine starke, selbstbewusste Polizei ist nicht zuletzt auch deshalb von Bedeutung, weil die Ablehnung staatlicher Einrichtungen und ihrer Repräsentanten ein allgemeines Phänomen ist und eine Reflexwirkung auf den Staat und seine Einrichtungen insgesamt entfaltet.
Im Übrigen bestätigen auch die meisten Kriminologen, dass eine höhere Polizeipräsenz in den Städten das Entdeckungsrisiko für die Täter erhöht und deshalb präventive Wirkung entfaltet. Insbesondere der jugendliche Täter fürchtet zunächst einmal das „Erwischtwerden". Da geht der Ärger schließlich los. Hat man den Stress des Zwangsaufenthaltes im Polizeirevier, des Abholens durch die Eltern und die polizeiliche Vernehmung erst einmal hinter sich, vergehen Monate, bis eventuell eine Anklage ins Haus flattert. Abgesehen davon kann keine Videoüberwachung das Sicherheitsgefühl der Menschen so stärken wie die Gegenwart anderer Menschen, die mit Autorität ausgestattet sind.
Neueste Erkenntnisse aus der Kriminologie
Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) in Hannover darf als führend und für die öffentliche Meinungsbildung besonders einflussreich in der Bewertung und Einschätzung der Entwicklung von Jugendkriminalität bezeichnet werden. Zuletzt wurde mir eine im Auftrag des Bundesinnenministeriums durchgeführte Untersuchung bekannt, die sich mit Jugendlichen in Deutschland als Opfer und Täter von Gewalt beschäftigt. Man kann die Ergebnisse im Heft 2/09 der Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe nachlesen. Grundlage der dort gewonnenen Erkenntnisse war eine deutschlandweite Repräsentativbefragung von 44.610 Jugendlichen, die sämtlich Schüler einer neunten Klasse waren. Ein Viertel der Befragten besucht eine
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